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Die Arbeitsordnung und der Arbeitsvertrag
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Die Arbeitsordnung und der Arbeitsvertrag

Arbeitgeber nicht mehr berechtigt sein soll, innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenzen seine dem Arbeitsvertrage zu Grunde liegenden Bedingungen nach eignem freiem Ermessen zu stellen, sondern er soll sie der Begutachtung der Arbeiter unter­breiten. Während bisher eine Vereinbarung insofern stattfand, als jeder Teil die von dem andern Teile vollkommen frei gestellten Bedingungen annehmen oder ab­lehnen konnte, soll jetzt der Arbeitgeber gehalten sein, zunächst über seine von ihm als notwendig erachteten Grundlagen nnd Bedinguugen des Arbeitsvertrages eine Vereinbarung mit den Arbeitern herbeizufuhren, worauf dann erst, gewissermaßen als zweiter Akt, die Arbeiter sich zu entscheide» haben, ob sie auf Grnnd dieser Bedingungen den Arbeitsvertrag schließen »vollen oder nicht. Hierin liegt nn- verkeuubar eiue Umgestaltung des bisherigen persönlichem Verhältnisses zwischen Arbeitgeber nnd Arbeiter. Das, was bisher als das selbstverständliche gute Recht des Arbeitgebers betrachtet wnrde, wird ihm entzogen nnd dem Arbeiter zu­gewendet, indem diesem die Berechtigung zuerkannt wird, über die Bedingnngen des Arbeitgebers zu verhandeln, gewissermaßen zu Gericht zu sitzeu. Dadurch wird das Verhältnis, das bisher nach erfvlgtem Abschluß des Nrbeitsvertrages eintrat und als selbstverständlich erachtet wurde, geändert. Der Arbeiter ist nicht mehr der Untergebene des Arbeitgebers, dem er Gehorsam schuldet, dessen Anordnungen er sich zu fügen hat, dessen Strafgewalt er anerkannt hat, alles dies kraft des Arbeitsvertrages, denn es soll ihm das Recht eingeräumt werden, über die Be­dinguugen zu beraten und doch auch nach seinem Gutdünken Beschlüsse zu fassen, die der Arbeitgeber in seinem eigensten Interesse zu stellen für notwendig erachtet. Kurz, der Arbeiter soll durch dieses ihm gewährte Recht dem Arbeitgeber gegen­über auf die Stufe der Gleichberechtigung gestellt werden, die vor Abschluß des Arbeitsvertrages auch bisher vollkommen vorhanden und anerkannt war, die aber nach Thätigungs?) jenes Vertrages unzulässig und nur als eine Ebnung derjenigen Wege zu betrachten ist, auf deuen die Sozialdemokratie znr Umgestaltung der gesamten Prodnktions- uud Wirtschaftsverhältnisse in ihrem Siune zn gelangen hofft.

Es wird dann weiter angeführt, daß sich in England infolge der dortigen Arbeiterorganisationen bereits ein derartiges Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter gebildet, aber dort auch zu dem Geiste der Unbotmäßigkeit ge­führt habe, der alle Kreise der englischen Bevölkerung dnrchdringe.

Auch Tagesblätter, die die gewerblichen Verhältnisse zum Gegeustand ihrer Betrachtungen machen, haben diesen Punkt mehrfach erörtert. Sie stellen namentlich die Frage, welchen Zweck die Anhörung der Arbeiter über die Arbeitsordnung haben könne, wenn man ihnen doch kein Widerspruchsrecht dagegen gestatte. Auch weisen sie darauf hin, daß regelmäßig bei einer solchen Anhörung der Arbeiter wenigstens ein Teil der nenen Ordnung widersprechen werde und dann ein Konflikt zwischen Fabrikherrn und Arbeitern gegeben sei.

Wir wollen versuchen, einiges zur Aufklärung der Sachlage beizutragen.

Man legt, wie wir glauben, den fraglichen Bestimmungen eine übertriebene Bedeutung bei, wenn man glanbt, daß sich dadurch die ganze Natur des Arbeits­vertrages ändere. Dieser bleibt auch nach den Bestimmungen des Entwurfs auf der unwandelbaren Grundlage der freien Vereiubaruug beruhen. Es giebt