347
selbstverständlich mit der Wendung: weil die alten Deutschen dieses kraftvolle, sittenreine, ehrliche Volk, mit dem heiligreinen, unverdorbenen Familienleben, mit der Verehrung der Franen, mit dem unbezwiuglichen Löwenmut waren, darum gelang es ihnen, die Zwiugherrschaft der Römer abzuwerfen und die stolze Roma selbst in den Staub zu schmettern." Über das Idealbild der Deutschen bei Tacitus könnten wir —- nach Felix Dahn - - einige kritische Bemerkungen macheu, sowie auch über die herkömmliche Ansicht, das lasterhafte Rom sei der Tugend der Germanen erlegen; zu verwundern ist nämlich nicht, daß das römische Reich endlich einmal zusammenbrach, sondern wie eine einzelne Stadtgemeiude die Herrschaft über ein Reich von solcher Ausdehnung auch nur fünf Jahre, geschweige denn fünf Jahrhunderte zu behaupten vermochte. Indes wir unterdrücken diese Bedenken; es giebt Fälle, wo der Irrtum nützlicher ist als die Wahrheit. Indem lvir also beide Gedanken des Tngendbundes als Grundlage der Nationalerziehung mit herzlicher Zustimmung annehmen, bezweifeln wir doch ganz entschieden, daß dieses große Werk eines neuen Tugendbnndes bedürfe. Geradezu für grundverkehrt aber halten wir die Forderung, daß sich unsre nationalen politischen Parteien als Tugendbnnd konstitniren sollen. Wäre der Gedanke nicht völlig aussichtslos, so würde er höchst gefährlich sein. „Wenn sich — sagt der Verfasser — die 1200000 Männer, die am 20. Februar uativnalliberal und die, welche konservativ gestimmt haben, ihrer Aufgabe in vollem Maße bewußt geworden sein werden, dann werden wir den Gedanken des Tngendbundes wieder aufleben sehen. Unser politisches Parteilebcn wird danu erst auf gesunden Grnndlagen ruhen, wenn man sich nicht mehr bloß um die Abstimmung der Mitglieder und um die svzial-ethischeu und Parteiziele, sondern zugleich um die persönliche Tüchtigkeit uud sittliche Förderung der Mitglieder kümmert." Das fehlt gerade noch! Beaufsichtigung des Privatlebens und die davon untrennbare Spionage! Nicht eine gesunde Grundlage wäre das, sondern eine urfanle. Man weiß zur Genüge ans vielfältiger Erfahrung, wohin solche Einrichtungen führen, selbst weuu sie in der reinsten nnd edelsten Absicht getroffen werden. „Wir wären doch wirklich thöricht — fährt der Verfasser fort —, wenn wir die gewaltigen Parteiorganisationen, die wir besitzen, nicht ausnützen wollten für die sittliche Kräftignng des Volkslebens, uud weuu wir anderseits nicht verstehen wvllten, daß diejenigen Parteien, welche in ihrer Art eine personell-ethische Grundlage besitzen, sodaß die Glieder nicht nur zusammen abstimmen, sondern gemeinsame sittliche Grundsätze im öffentlich-bürgerlichen wie im Privatleben befolgen, daß diese Parteien den festesten Zusammenhang haben. Das sind die sozialistische, die ultramontane und glücklicherweise zum Teil auch die konservative Partei." Es ist zum Glück nicht wahr, daß die genannten Parteien jede ihre besondre Moral haben nnd deren Befolgung bei ihren Gliedern überwachen, und damit wird auch das der uatioualliberaleu Partei gemachte Kompliment hinfällig, daß ihr die sittliche