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Die akademische Kunstausstellung in Berlin
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Die akademische Kunstausstellung in Berlin

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menschlicher Roheit, Schilderungen von Allsnahmeznständen des menschlichen Geistes, auch wenn sie noch so wahrheitsgetreu sind, außerhalb des Bereiches oder doch des Berufes der bildenden Kunst liegen. Denn Roheit und Kunst sind zwei Begriffe, die, so lange eine sinnvoll schaffende Sprache der Ausdruck des Denkens ist, einander ausschließen. Matheinntisch läßt sich die Nichtigkeit dieser Sätze allerdings nicht beweisen, und das wird vielleicht als ein Maugel empfunden werden in einer kleinmütigen Zeit, wo sich große, in ihrem Urteil schwankende Massen von einem Häuflein naturalistischer Schreier ms Bockshorn jagen lassen. Aber am Ende gelangt man bei jedem Streit um wissenschaft­liche oder künstlerische Fragen an einen Ort, wo man, wenn man weiter nichts sagen und beweisen kaun, eine Mauer aufzieht, um sich hinter ihr zu ver­schanzen und in philosophischer Ruhe die weitere Entwicklung der Dinge ab­zuwarten. Diese abwartende Stellung hat schon häufig ihr Gutes gehabt, so auch, wie wir später sehen werden, dein Naturalismus gegenüber, der schneller abgewirtschaftet hat, als selbst seine eifrigsten Gegner gehofft lind gewünscht haben.

Bilder wie das Nochollsche verlangen einen heroischen Ton, der sich nicht bloß in der geistigen Charakteristik der Figuren, die doch von einer das Gefühl der Menschen bis zu poetischer Kraft steigernden Stimmung, der patriotischen Begeisterung, erfüllt sind, sondern auch in ihrer malerischen Darstellung äußern soll, die nicht das Interesse des Beschauers durch triviale Kleinigkeiten und Nebeusachcn wie bestäubte Röcke uud beschmutzte Stiefel zersplittern darf. Wenu die Maler an solchen Dingen hängen bleiben, darf man sich nicht wundern, daß es ihnen nicht mehr gelingen will, sich zur Größe des historischen Stils zn erheben. Solche Roheiten sind ans unsrer Allsstellung leider leine ver­einzelte Erscheinung. Dahin gehört auch die zunehmende Frende der Maler an der Darstellung von Tierkämpfen und andern blutige» Szenen aus dem Leben der wilden Tiere. Es ist anzunehmen, daß diese Neigung der jüngeru Vertreter der Tiermalerei in Berlin aus der gerechtfertigteu Absicht erwachsen ist, im Gegensatz zu Paul Meherheim, dessen Löwen und Tiger aus den zoo­logischen Gärten in Bezug auf Virtuosität des Kolorits und Mannichfaltigkeit der Charakteristik kaum noch zu übertrumpfen sind, die Raubtiere in ungezähmtcr Wildheit, in ihrer Heimat, in Bergwüsten, Steppen uud Dschungeln vorzu­führen. Der Wahrheit find diese Künstler, unter denen Richard Friese uud W. Knhnert die begabtesten und entschlossensten sind, um einen starken Schritt näher gekommeil. Aber um welchen Preis! Knhnert läßt einen Löwen mit einer blutenden Antilope im Nachen über die Steppe jagen, und Friese schildert die widerliche Mahlzeit eines Löwenpaarcs, das sich an einem Büffel ersättigt, den es im Dickicht der Lagune überfallen hat. Noch scheint es, als ob die Freude au solchen Motiven nur eine einseitige sei, und als ob das kaufende Publikum sich noch spröde dagegen verhielte. Es wäre also verfrüht, vor Ge-