Der gegenwärtige Stand der deutschen Rolonialbewegung
521
das Eingangsthor bildet zu den westlichen und nördlichen Sudanlündern mit ihrer zahlreichen, gewerbfleißigen und kaufkräftigen Bevölkerung, Nun hat es, wie glaubhafte Nachrichten aus dem Innern soeben verkünden, ein gnädiges Geschick so gefügt, daß vr. Peters, der Führer der deutschen Emin-Pnscha- Expedition, zur rechten Stunde in Uganda eingetroffen ist. Bestätigt sich die erfreuliche Kunde, so würde der bisherigen Tragik der Petersschen Unternehmung, der ohne Wissen des Helden das eigentliche Ziel fast in demselben Augenblick entzogen ward, als er sie begann, ein Umschwung und Abschluß zu teil, der ihn selbst und seine teilnehmenden Freunde versöhnen könnte: es wäre ihm dann gelungen, wie dem vielgeprüften Lande im Herzen Afrikas und der christlichen Kultur, so auch seinem Vaterlande einen großen Dienst zu erweisen, indem er von der bereiten Dankbarkeit des schwarzen Herrschers wichtige Vorzugsrechte für Deutschland erbat und erhielt. Wenn uns übrigens Uganda nicht ohnehin zugedacht sein sollte, so dürfte es sich dringend empfehlen, die schwebenden Verhandlungen bis zu Peters baldiger Rückkehr auszusetzen. Aber unser Wunsch sollte in der That kaum einer neuen Begründung bedürfen. Man blicke auf die Karte und erinnre sich des bei kolonialen Grenzregn- lirungen gebräuchlichen Grundsatzes, daß das Hinterland dem vorliegenden Küstenstriche zugehört. Das Lnud eröffnet als Durchgang zu dein innern Afrika zu wichtige Aussichten, als daß wir unsre bessern Ansprüche den englischen opfern dürften. Schlimmstenfalls sollte eine Teilung zwischen beiden Rivalen erfolgen, die kaum geographischen oder ethnographischen Schwierigkeiten begegnen, freilich immer nur eine unliebsame Abschlagszahlung sein würde. Wir hoffen, daß der Bureaukratismns nntergeordneter Beamten unsern Erwartungen nicht wieder so übel, wie bei den erwähnten frühern Anlässen, mitspielen werde. Es sei gestattet, diesem besondern Wunsche noch eine allgemeinere Fassung zu gebeu. Alle Politik wird von Personen gemacht, nnd unsre Kvlvnialpolitik hängt nicht zum geringsten Teile ab von den Mitgliedern des in Entstehung begriffenen Kolvnialamtes. Wir schließen mit dem Ausdruck der Hoffuuug, daß sich in dieser jungen Behörde zu dein bisher herrschenden vorsichtigen Geiste eiu frischer und mutiger geselle, gehegt von Männern, die im überseeischen Dienste bewährt und vorgeschult siud, um die mannichfaltigeu Fragen, die dieser neue Aufgabenkreis unsrer Reichspvlitik in Gegenwart uud Zukunft aufwirft, einer gedeihlichen Lösung entgegenzuführen. Demi da wir als Nativu noch lange zu leben hoffen und, wenn nicht alle Zeichen trügen, auch noch zu leben haben, so gebührt es sich, allerlei Vorkehrungen für die Zukuuft zu treffen, und zu diesen gehört, nicht an letzter Stelle, auch die Sicheruug und der Ausbau unsrer Kolonien.
Grenzbvtm 11 1890