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Aus der Stadt des Reichskammergerichts
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Aus der Stadt des Reichskammergerichts Z75

hier aber in W^Iiwtv von N genannt, mit seiner tauben Fran u. s. w., den übel fourmrten S nicht zu vergessen, der die Lücken seiner altfränkischen Garderobe mit nenmodischen Lappen ausflickt." Das Ende vom Liede war, daß der Hausherr, obgleich dem jungen Jerusalem persönlich wohlgesinnt, ihm aus das Drängen der adlichen Gäste die Thür weisen mußte.

Wenn die Gesellschaft nur wenigstens nnter sich zusammengehalten hätte! Aber auch hier derselbe leere Formenstreit, wie nach außen,das glänzende Elend und die Langeweile nnter dem garstigen Volke, die Nangsucht ilnter ihnen, wie sie nur wachen und aufpassen, einander ein Schnittchen abzuge­winnen."^) Möglich, daß Goethe bei den letzten Worten eines Vorfalls gedachte, der sich kurz vor seiner Zeit iu Wetzlar ereiguet hatte und als große Hanpt- und Staatsaktion sogar vor den Thron des Kaisers gebracht war: . der .Kammerrichter gab eines Abends im Gasthof zum Römischem Kaiser großen Ball, die ganze Neichskammergerichtsgesellschaft war versammelt. Heiterkeit und Frohsinn herrschten soweit dies in der steifen Gesellschaft möglich war, denn es war Fastnacht. Da erhebt sich plötzlich ein Murmeln des Unwillens am äußersten Ende des Saales, ein Zwiespalt geht durch die Ge­sellschaft. Wie in einem Bienenkorbe summt alles durch einander. Man raunt und zischelt: Niris o'öst- iuom, quölle l)öt,i.86, Huslls inrxörtinemvs! tönt es in der heimischen Zunge des Reichskammergerichtssalons. Was mag die Gesell­schaft so empört haben? Etwas Entsetzliches hatte sich ereignet: Die Gattin eines der 5!!anlmergerichtspräsidenten hatte verlangt, daß ihre noch ledige Tochter, alsstiftsmäßiges, mit sechzehn Schilden gewappnetes Fräuleiu" vor den Gattinen der sämtlichen Kammergerichtsbeisitzer den Vortritt und Vvrtanz haben solle. Die Assessoren, noch mehr aber vermutlich ihre Gattinnen, waren voll Unwillen über diese Anmaßung und der Beisitzer von Ortmann,als von Jhrv Römisch-Kayser-Königlichen Majestät als Erzherzogin in Oester­reich wegen des Oesterreichischen Creyses praesöntirtör Assessor" wandte sich wit einer Beschwerde nn den Kaiser, worin er ansführte, daß nach jenem Vorgang jeder uustiftsmäßige Kavalier, er stehe in einem Charakter, wie er wolle, sogar jeder Kammergerichtspräsident selbst, wenn er nicht just stifts- "u'ißig, eiuem jeden stiftsmäßigen Kind in der Wiege schon den Vorzug zn gestatten Hütte. Die Amtspflicht und Obliegenheit eines jeden Beisitzers dieses kaiserlichen und Neichskammergerichts, wie auch die Würde dieses ältesten und höchste,, Neichsdieasterii erforderten, daß er solche, in allen Vorfallenheiten, Aufrecht erhalte und nichts Verkleiuerliches dawider aufkommen lasse. Wie der streit ausgegangen ist, ist leider nicht überliefert.

Eine ausführliche Schilderung der im Folgenden dargestellten Vorgänge beim Reichs- kannuergericht enthält das Werk vvn Ulmenstein:Topographie von Wetzlar/' dem wir cmch 'Ucmche andre der hier gegebenen, aus die Geschichte des Gerichts bezüglichen Nachrichten eut- "vnnnen haben; Ulmeustein war Assessor beim Reichskninmergericht.