Aus der Stadt des Reichskmnmergl-richts
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Ilinrium, od8essioni!? ^etslariensi^, hat uns einige ergötzliche Züge daraus überliefert. Mit vortrefflichem Humor wird iu diesem „Diarium" erzählt, wie die Verteidiger in einer dunkeln Nacht ciueu Esel mit wohlgezielten Flintenschüssen zu Bvdeu strecken, iu der Meinung, es sei eiu Spiou; wie sie in Furcht und Entsetzen geraten nnd glauben, der Feind werfe Faschinen iu den Stadtgraben, als nächtlicherweile ein Fisch im Wasser aufspringt. Bor dem Entscheiduugskampfe halt der Höchstkommandireude große Heerschau nnd ermähnt sie zn ritterlicher Gegenwehr: „Darum schlagt an, wenu sie anschlagen, und gebt Feuer, wenn sie geschossen haben, sonst könnte ein großes Herzeleid entstehn." Auf den Eiuwand eines Tapfern, sie könnten jn in finsterer Nacht uicht seheu, wauu der Feind anschlüge, faßt sich der Führer schnell und sagt: „Es ist anch wahr, drum, weun sie Konrage hätten, so kämen sie bei Tag, daß man sie sehen könnte." Nun rücken die Truppe» ius Gefecht, man steht dem Feinde gegenüber. „Wie man nnn fast eine Viertelstunde das Weiße in den Augen gesehen, indeß des Hessischen Majors Pferd mit flachem Degen und Mistgabelstreichen wacker zum Tanz aufgemuntert wurde, konnte dasselbe dies Aufspielen länger uicht aushalten und sprengte eiuem vornehmen Metzger aufs Aug, daß man ihn blind zu sein vermeinte; woranf sich die Schlacht, jedoch ohne Blutvergießen geendigt." Schließlich bequemte sich der Rat zur Übergabe; die Wachmannschaften am Thor, die sich gerade am reichlichen Frühstück labten, merkten von der Kapitulation nicht eher etwas, als bis die hessischen Truppen iu die Stadt eingezogen waren. Der Sieger aber suchte den Uunbhängigkeits- gelüsten der Bürger dadurch vorzubeugen, daß er von da an eine ständige Besatzung in die Stadt legte.
Wie in ihren inneren politischen Verhältnissen, so war sie aber auch i» ihrer äußern Erscheinung ein richtiges Krähwinkel. Noch Goethe sagt: «Die Stadt selbst ist nuangeuehm," und doch war seit dem Eiuzug des Neichs- kammergerichts manches besser geworden. Wenn wir den Schilderungen der Gewährsmänner ans dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts glauben dnrsen, so muß der Zustand der iuueren Stadt geradezu abschreckend gewesen sein. Man stelle sich die eugen und winkligen Gnsseu unsrer mittelalterlichen Städte auf abschüssigem Boden vor, einem Boden, der manchmal so starkes Gefall hat, dnß Treppen in die Straßen haben eingehaneu werden müssen. Bei Regen, Schnee oder Glatteis sind diese Strafzeit noch heute geradezu lebensgefährlich. Wie erst damals! Iu dem Bericht einer Chronik heißt es, die Straßen seien tnls gar uicht, teils sehr übel gepflastert und äußerst unflätig. Und wie waren die Häuser, die an diesen Straßen standen! Derselbe Chronist berichtet, die Stadt habe nur hölzerne, mit Stecken geflochtene und mit Lehm übertünchte Häuser, die großenteils nur mit Stroh gedeckt und mit hölzernen Schornsteinen versehen seien; iu deu Häusern wie in den engen Straßen herrsche eine fenchtc, ungesunde Luft und ein mit der starken Viehzucht au Pferden, Rindvieh und