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Drei Dichterinnen
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Drei Dichterinnen

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Mannichfaltigkeit, den Wert, die Schönheit und die Irrtümer der Nenaissan.ee gleich klar und zutreffend zu veranschaulichen. Da steht in der Mitte die feine, geistvolle Gestalt Lorenzos de Medici, des großen Lebenskünstlers, der die Maler, Dichter, Bildhauer und Architekten fördert, weil er ihrer in Wahr­heit zum Genusse des Lebens als geistreicher Mann bedarf. Die Entdeckung des Altertums, seiner Bücher und seiner Statuen hatte eineu wahren Fanatismus der Antike hervorgerufen. In grenzenloser Begeisterung gaben die Menschen ihre Persönlichkeit und Nationalität auf, um sich römisch zu benehmen, römisch zu sprechen, römisch zu essen, römisch kühl die Gefühle zu unterdrücken. Diesen Fanatismus des Humanismus schildert Isolde Knrz mit gutem und wohlbe­rechtigtem Humor. Dann zeigt sie uns aber auch neben dem Glänze die Schattenseiten: die Entzügelung der Sinnlichkeit, die Leidenschaft der politischen Parteien, die Äußerlichkeit und enge Beschränkung der Renaissance. Sie unterscheidet sehr klar und scharf zwischen den wirklichen Zuständen und den getränmteu Idealen. Sie zeigt uns ergreisend, wie sehr die Frauen damals gelitten haben, wie wenig ihr Recht auf freie Selbstbestimmung anerkannt war, wie das Mädchen in dem Florenz der Renaissance noch immer als politische Ware zur Befestigung von Familienbündnissen betrachtet wurde, und welche Roheit dabei zu Tage trat. Und dann macht sie uns begreiflich, wie die Predigten eines zur Askese mahnenden leidenschastlichen Priesters, des Do­minikaners Savonarola, trotz all der glänzenden Erfolge Lorenzos zünden und das Florentiner Volk unmittelbar nach den übersättigendem Gelagen zur Ent­sagung und Kasteiuug bekehren konnten. Alle diese Zustände aber werden uns uicht unmittelbar als solche geschildert, was auch nicht die Aufgabe der No­velle, sondern der kulturgeschichtlichen Darstellung wäre; vielmehr wird uusre Spannung sehr stark durch die rein novellistische Erfindung erregt, und das kulturgeschichtliche Bild der Florentiner Zustände erhalten wir wie unabsicht­lich, weil die Erzählerin es so klar und satt schaut, und weil ihre Geschichten als solche unwillkürlich gleichsam den Zustand von Florenz um jene Zeit wiederspiegeln, sie sind ganz im Geiste der Zeit erfunden.

Auch ihre Art zu erzählen ist dem Geiste der alten Zeit angepaßt, nicht etwa durch eine altertümelnde Sprache, sondern durch den zuweilen phantastisch anmutenden Gang der Handlung, dadurch daß der Nachdruck der Erzählung nicht auf die Charakteristik der Gestalten, sondern auf die überraschende Folge der Abeuteuer gelegt ist. In unsrer Zeit des Naturalismus empfindet man einen phantasiereichen, mit wechsclvvllen Abenteuern uns ergetzendcn Erzähler geradezu als einen Romantiker; die fortwährende und absichtsvolle Nachahmung der Wirklichkeit benimmt vielen ganz die Fähigkeit, sich harmlos dem Spiel der dichterischen Phantasie zu überlassen. Darum empfindet man die Novellen der Isolde Kurz gewissermaßen als unmodern. Aber sie sind es keineswegs. Ganz eigentümlich ist ihr ein Hnmor, der mitten in düsterer Umgebung seine