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Das Nationalgefühl
andrer es verkündet hatten, sondern sie — trotz alles Aufputzes der tönenden Proklamationen — in unmittelbarer Unterwerfung zusammenzufassen. In raschen, wuchtigen Schicksalsschlägen war das morsche Gebilde, das sich unter dem Namen des römischen Reiches deutscher Nation noch dahinschleppte, vor den siegreichen Fahnen des Imperators zusammengesunken; und mm erschallte dem Volke der freien Denker im eignen geknechteten Lande die herrische Stimme des korsischen Kriegsmannes. Da, in dieser Zeit herbster, trostlosester Trübsal, da haben die Deutschen begonnen zn erkennen, wohin sie die kosmopolitischen Träume geführt hatteu: daß Knechtschaft, daß bittere Tyrannei das Ende sei, das der That gewordene Universnlgedanke beschließe; daß bloßes Menschentum und unbekümmerte Freiheit des Gedankens sich nicht zu wehren vermöchten, vielmehr unter Umständen gerade führten zu Unfreiheit schrecklichster Art, bei der sie selber in nichts zerflössen.
Was uns bleibt? Rühmt nicht des Wissens Bronnen,
Nicht der Künste friedensreichen Strand!
Für die Knechte giebt es keine Sonnen,
Und die Knnst verlangt ein Vaterland-
Aller Götter Stimmen sind verklungen
Vor dem Jammerton der Sklaverei,
Und Homer, er hätte nie gesungen:
Doch sein Griechenland war frei!
So hat es Theodor Körner, was man empfunden hatte, noch ein paar Jahre später ausgesprochen, als die Gefahr des Unterliegens der deutschen Erhebung im Sommer 1813 gespenstisch das Joch vvn neuem heraufzubeschwören schien, dessen Ketten Deutschland so lange getragen nnd in den ersten freudigen Tagen der Befreiung zu Bodeu geschüttelt hatte.
Uud mit dieser Erkenntnis, was Unfreiheit bedeute, blitzte zugleich, wenn auch im ganzen so spät, ein Begriff auf, dein sich eiu edlerer Mensch hinfort nicht zn entziehen vermochte, der Begriff politischer Ehre und politischer Schande, das Gefühl, das, in Schmerzen geboren, der großen Menge der Deutschen nun nicht wieder verloren gehen sollte. Und selbst, wer die Erniedrigung etwa noch nicht im Innern getroffen empfand, den drückte die Fremdherrschaft nieder mit bitterer persönlicher Not; auch für diefeu hieß der einzige Anker der Hoffnung Befreiung des vaterländischen Bodens. Der glühende Wunsch nach Befreiung, nach Lösung von der Knechtschaft nm jeden Preis ist der schon erwähnte von außen her geweckte Gedanke, der imstande war, die vorhandnen geistigen Strömungen in der Nation mit sich zn verbinden, um ans ihrer aller Vereinigung in Entwicklung und Abklärung die vaterländische Empsiudungs- welt unsers Jahrhunderts hervorgehen zu lassen.
Es ist außerordentlich schwer, solchen Dingen einen zeitlichen Anfangstermin zu setzen und die Stufenleiter der Verschmelzung und Entwicklung mit