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Maßgebliches und Unmaßgebliches
sind, Levuore zu laufeu und darnach eine 5tomödie zu benennen, dns ist ein „Witz" vvn der Gattung, die in Künstlerkueipeu gedeiht. Auch erinnern wir uns, daß ein Kollege des Herrn Lindau sich einmal herausgenommen hat, „Fanst nnd Grete" auf die Bühne zu bringen. Damals handelte es sich freilich um eine alberne Posse, die auch für nichts andres gelten wollte; Herr Lindau (oder vielleicht Landan?) pflegt aber das „höhere Lustspiel," uud er soll sehr „geistreich" sein, uud er fühlte sich wohl verpflichtet, dies gleich bei der Wahl des Aushängeschildes zu beweisen. Nun weiter. Bei der Bewerbung um den natürlich unwiderstehlichen Mann siegt die jüngere Leouore, eben weil sie die jüngere ist. Das Thema ist schon ziemlich oft auf den Brettern in gleichem Sinn abgehnudelt wordeu, sehr hübsch z. B. in >^n. ImKuUo 6« Z-nnv« von Seribe. Da kämpft eine junge Witwe gegen ihre Nichte uud muß sich besiegt geben, obgleich sie ebenso schön ist nnd dabei mit allen Vorzügen des Geistes, des Charakters uud der Erfahrung ausgestattet. So philisterhaft kann ein „moderner Dichter" die Sache uicht anpacken. Da lebt natürlich der Man», nnd es werden soeben die Einleitungen getroffen, ihn zu betrügen, als die Nebenbuhlerin in der Person — der eignen Tochter auf dem Plan erscheint. Man wird zugesteheu, dns; dieses Verhältnis viel pikanter ist. Der Liebhaber will der Mama, die ihm für den Abend ein Stelldichein zugesagt hat, Rosen bringen, findet die Tochter, verliebt sich stehenden Fußes in sie (nur umgekehrt, wie sich gebührt), nnd — nun wollen wir dem wohlwollenden Kritiker das Wort lassen.
„Lorchen fordert ihren Gesprächspartner ans, er möge die mitgebrachten Rosen ihrer Mutter überreiche», worauf er erwidert: Bitte, bringen Sie die Blume» Ihrer Frau Mama. Ich bitte Sie darum. Mir ist, als ob durch Ihre Berührung alles Uuschöue n»d Unreine von diesen, Rosen abgestreift würde, als würden sie durch Ihre keuschen Hände geadelt nnd geweiht. Lorchen: Das verstehe ich wieder einmal nicht, die Blumen sind ja herrlich. Hermann, der ihr nun die Blumen reicht, während sie dieselben in die Hand nimmt, ausdrucksvoll j!j: Jetzt ja!" Der Kritiker wüuscht das Wort keusch hinweg, wir können jedoch diesem, Zeusurstriche weuig Bedeutung beimesse», eine greuliche Unverschämtheit bleibt die ganze Rede, die gehalten zn werde», scheint, damit das junge Mädcheu sich Gebauten über die Beziehungen der eignen Mutter zu dem Blumeuspeuder mache. Alle!» es kommt noch besser. Nach dem erste» Kusse des von der Mntter zur Tochter übergegangenen Liebhabers ruft Lorcheu: „Ganz so hab ich mirs gedacht! Ganz so!" Da sieht man förmlich das Pensionat vor sich, wo die Backfische heimlich Romane gelesen und sich eigne Romane vorgetränmt n»d die Verhältiusse ihrer jnnge» Lehrerinnen, ausspivuirt haben, u. s. w., das Pensionat, ans dem, die „Naiven" hervorgehen, uud das weiter nichts ist als die ungeschickte Übersetzung des französischen Klosters. Wie verblaßt Kotzebnes Jndianermädchen, das jeden, Mann heiraten will, neben dieser „höhern Tochter," die dein Geliebte» sagt, ga»z so habe sie sich den Kuß der Liebe gedacht! Die liebe Unschuld! Kein Zweifel, daß Herr Lindan glaubt, die beiden Szenen seien poetisch und zart u«d wahr, so empfänden und so spräche» junge reine Menschen. Aber daß andre es ihm glaube», daß die Deutschen hundert Jahre nach Faust und den Geschwistern, achtzig nach Käthchen von Heilbronn, sich solches Zeug biete» lassen, daß es ein „beliebtes Repertoirestück" werden kaun, dnrüber vermag »»s kaum die Thatsache zu beruhigen, daß auch Kotzebue überstanden ist, der denn doch mehr war als Lindau u. Komp.