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Bauditz, Sophus : Baron Frederik : Deutsch von Therese Lorck
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Baron Frederik

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Können Sie raten, was das ist? sagte er. Nein, das können Sie nicht! Es ist eine Kleinigkeit, ein silberner Löffel sür des Ortsrichters kleine Tochter, die am Donnerstag getauft werden soll. Ich muß Ihnen sagen, die Leute hier herum sind sehr anständig, außerordentlich anstandig; sie legen Wert darauf, einen bei den Hochzeiten und als Gevatter zu haben Begräbnisse liebe ich nicht, das wissen sie, und deshalb laden sie mich anch nicht dazu ein. Nun, man darf nicht stolz sein, aber kommt man, so muß man seine Stellung behaupten.

Es waren wohl ein paar Stunden vergangen, als ich aufbrach. Mit dem bestimmten Versprechen, es nicht bei diesem einen Besuch zu lassen, verab­schiedete ich mich.

Nach einigen Tagen reiste ich nach der Stadt und kam nicht früher als zu den Sommerferien wieder nach Oberhof.

Eines Vormittags ging ich hinunter nach dem Gafthof, und pünktlich um elf stellte ich mich bei meinem alten Freunde ein.

Scharmant! rief er aus, als ich eintrat. Sie vergessen mich nicht ganz, und Sie sind präzis wie nun wie ich selbst! Scharmant! Ach, kleine Marie, Sie sind Wohl so freundlich und bringen noch ein Couvert!

Das Mädchen kam herein, und es schien mir, als folgte ihr der Baron mit zärtlichen Blicken.

Ein hübsches Mädchen, ein außerordentlich hübsches Mädchen! sagte er schließlich, als sie hinaus war, aber es klang eine gewisse wehmütige Resignation aus diesen Worten.

Ja, man wird alt! sagte er darauf und fuhr ohne Einwendung meiner- feits fort: Ja, das müssen Sie zugeben, ich bin kein Jüngling mehr, und wenu man älter wird, fühlt man sich oft einsam, sehr einsam. Finden Sie auch, daß die kleine Marie ein hübsches Mädchen ist? Na, das freut mich! Ein gutes Müdcheu ist sie, ein sehr gutes Mädchen; honette Eltern, vernünftige Erziehung. Glauben Sie nicht, daß sie einen Mann glücklich machen könnte? Ja, auf Ehre, das kann sie! Ich sage es Ihnen rein heraus, wie es ist: das Mädchen gefällt mir, und ich bin, unter uns, ziemlich sicher, daß sie ein Auge auf mich hat versteht sich in aller Ehrbarkeit, denn sie hat Prinzipien, und ich habe Achtung, außerordentlich große Achtung vor Prinzipien, sodaß über­haupt nur die Rede von einer Heirat sein könnte. Nun, das, ist natürlicherweise, wie Sie selbst einsehen werden, eine Unmöglichkeit, eine komplette Unmöglichkeit!

Ich hatte den Eindruck, als ob der Baron das letztere mir nur in der Hoffnung sagte, daß ich ihm widersprechen sollte, und ich kam deshalb mit einem langgezogenen: Ja, wie mans nimmt! hervor. Aber darauf sagte er: Nein, mein lieber Freund, es ist, wie ich sagen möchte, eine physische Unmög­lichkeit. Gott bewahre, wir sind alle Menschen, wie es in der Schrift heißt, und in jenem Leben weiß man ja nicht, neben wen man zu sitzen kommt, aber Grenzboten IV 1889 78