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Bauditz, Sophus : Baron Frederik : Deutsch von Therese Lorck
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Baron Frederik

neuen Freund abermals, diesmal aber an einer ganz andern Stelle, getroffen hätte. Ich erkannte schon in weiter Ferne die hohe Gestalt mit dem Regen­schirm, und als wir uns einander näher gekommen waren, hob uud senkte er mehrmals die Arme, bei welcher Bewegung der Havelock sich gleich Flügeln ausbreitete, nnd begrüßte mich anfs freundlichste.

Das freut mich! rief er aus, Sie hatten Wort und kommen, einen alten Junggesellen wie mich zu besuchen! Das ist außerordentlich aufmerksam von Ihnen, ganz außerordentlich aufmerksam! Uud mm kommen Sie gerade zum Frühstück, es kaun sich gar nicht besser treffen!

Einer so großen Freundlichkeit gegenüber würde es übel angebracht ge­wesen sein, einzugestehen, daß ich gar nicht darau gedacht hatte, ihm einen Besuch zu machen; ich beschränkte mich also nur auf die Bemerkung, daß ich der sei, der zu danken habe, nnd nicht er, und so gingen wir zusammen weiter.

Plötzlich sah er nach der Uhr. Ist es möglich! rief er aus. Es fehlen nur noch zehn Minuten an elf! Dann haben wir keine Zeit zu verlieren, wenn wir um elf Uhr zum Frühstück zn Hause sein wolle»! Ich muß Ihnen nämlich sagen fügte er erklärend hinzu, ich gebe viel darauf, in nlleu Dingen, großen wie kleinen, präzis zu sein. Ich habe meine Zeit ganz regelmäßig ein­geteilt, mein Leben geht wie am Schnürchen. Hätte ich mich nicht so eingerichtet, so würde mir die Zeit ja lang werden)- so dagegen habe ich nie eine Stunde übrig, ich führe ein gebundneres Leben als ein Soldat. Schlag sechs im Svmmer und Schlag sieben im Winter stehe ich auf nnd mache Toilette, trinke meine anderthalb Tassen Thee und rauche meine Morgenpfeife. Um zehn Uhr gehe ich ans, mag das Wetter sein, wie es will, und spaziere durch den Wald; dazu brauche ich gerade eine Stunde bis zur großen Eiche, auf lang­samen Gang berechnet, svdaß ich, wenn ich jemand begegne und aufgehalten werde, trotzdem die Zeit einhalten kann, wenn ich meinen Schritt etwas fvrcire. Um elf Uhr frühstücke ich zwei weiche Eier mit Brot, eine Tasse Kaffee, nichts weiter, von zwölf bis zwei lese ich oder zeichne etwas, von zwei bis vier gehe ich wieder spazieren uud passe immer auf, daß ich dann uuteu auf der Chausfee bin, dort wv die Eiseilbahn sie durchschneidet, wenn der Zug zehn Minuten vor vier Uhr vorüberkommt, dann esse ich zu Mittag, schlafe ein Stündchen und bin dann am Abend mein eigner Herr, denn der will ich sein.

Es lag etwas unwiderstehlich Komisches darin, einen Menschen, der ganz und gar nichts zu thun hat, sagen zu hören, daß er am Abendsein eigner Herr" sein wolle, sodaß ich mich halten mußte, nicht darüber zu lachen. Aber um doch anch etwas zu sagen, sprach ich meine Bewunderung über die Durch­führung einer solchen Regelmäßigkeit aus, fragte aber gleichzeitig, ob er sich nicht ab und zu dadurch genirt fühle.

Dadurch genirt? Ja, so wahr ich lebe, fühle ich mich genirt, uud dies einen Tag wie den andern! Glauben Sie nicht, daß ich manchmal mit Freuden