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Der Verfassungsstreit in Preußen : eine historische-politische Studie :
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Verständigung zu erleichtern. Von einer Rückgängigmachung der Heeres- reorgauisntio» kouute natürlich gar keine Rede sein, jetzt, wo sie sich im blutigen Ernst so glänzend bewährt hatte. Sogar Grabvw, der als früherer Präsident vorläufig wieder den Vorsitz übernommen hatte, konnte uicht umhin, der ruhm­reichen Thaten der tapfern Krieger zu gedenken, die in den Nvrdmarken des Vaterlandes das deutsche Recht uud die preußische Ehre hochgehalteu hatten. Als er aber, nebst den Herren von Unrnh und von Bocknm-Dolffs, wieder­gewühlt war, schlug er eiueu ganz andern Ton an:Bei unsrer letzten Ent­lassung ward einstweilen ans die Hoffnung einer Verständigung mit diesem Hause verzichtet. Seitdem sind die Verfolgungen der liberalen Presse, Diszi- Plinirung der liberalen Beamten, Nichtbestätignng liberaler Kvmmnnalwahlen, Verunglimpfnngen, Verdächtigungen lind Verleumdungen der liberalen Staats­bürger in noch stärkerm Maße als in den frühern Jahren eingetreten. Die libe­rale Gesinnung ist in den Bann gethan. Die Überzengungstrene, der schönste Schmnck des altpreußischen Beamten, ist in die neupreußische Acht erklärt. Die Axt wird au den seit 1808 die schönen Früchte Gemeinsinn und Gemeinwohl treibende» Baum der Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden gelegt, um die dreimal erprobte öffentliche Meiunug, die stärkste Macht im Staate, zur Umkehr zu stimmen, das Abgeordnetenhaus zur Unterwerfung zu zwingen und damit der Verfassung die Lebensader zu unterbinden."

Der wiederholte lärmende Beifall, den diese Worte Grabvws bei der harschenden Partei fanden, zeigte deutlich, daß mit diesem Hause ebensowenig eine Verständigung zn erzielen war. wie mit dem vorigen. Es verlohnt sich »ber nicht, die Verhandlnugen im einzelnen weiter zn verfolgen; denn Nenes wußten die Herreu von der Opposition uicht mehr vorzubringen, die Be­schimpfungen Preußens, seiner Regierung nnd seiner Einrichtungen, blinde Parteinahme für alles, was gegen Preußen auftrat. Unverstand uud Urteils­unfähigkeit wiederholten sich stets. Die Minister mähten sich vergebens ab, den Parteifanatikern Vernunft zu predige». Ein praktisches Ergebnis hatte die ganze Tagung nicht; die Kosten für die Reorganisation wurden wieder gestrichen, ein gesetzmäßiges Budget kam wieder nicht zu stände, und der Staatshaushalt wurde wieder durch königliche Verordnung geregelt, »uter Zu- stimmuug des Herrenhauses. Eine SchlesN'ig-Holstein-Debntte im großen Stil, bei der Virchow, Waldeck, Dnncker. Löwe, Twesteu große Reden hielten, bewies >"n-, daß diese Herren und ihre ganze Partei von den thatsächlichen politischen Verhältnissen, von der ganzen Lage in Deutschland und in Europa nicht die leiseste Ahnung hatten. Daß ihnen aller Patriotismus fehlte, war nichts Neues.

Nur ewige Vorgänge will ich noch kurz erwähne», die beso»ders be­zeichnend fiir die Zn stände in der .K'vnfliktszeit" sind. Am !). Februar über­reichte eine Depntntivn aus Veöln dem Präsidenten Grabow eine silberne Bürgep