Beitrag 
Der Verfassungsstreit in Preußen : eine historische-politische Studie :
(Schluß)
Seite
546
Einzelbild herunterladen
 

546

Der verfcissungsstrett in j)reußen

müssen wir zu Hause bleiben; aber wenn die kleinen deutschen Staaten etwa auf dein deutschen Bundestage einen Beschluß fassen wollten, der im Sinne der Majorität der deutschen Nation wäre, dann sagt Preußen: Wir als Groß­macht sind nicht in der Lage, uns diesem Beschlusse zu unterwerfen, wir werden uns nicht majorisiren lassen von den Kleineu aber von den Großen natürlich! Ich meine, Sie könnten uns mit der Großmachtangelegenheit zu Hause bleiben. Wenn Preußen einmal gezeigt haben wird gegen Großmächte, daß es eine Großmacht ist, dann, meine Herren, sprechen Sie wieder davon; so lange Preußen aber nur gegen kleine und Mittelstaaten als Großmacht spricht, so lange, denke ich, wollen wir diese Angelegenheit bei uns schweigen lassen." In derselben Rede hatte er von Bismarck gesagt:Er ist jetzt dein Bösen verfallen, und er wird von ihm nicht wieder loskommen." Die Komik in diesem Ausspruche war aber eine ziemlich unfreiwillige; denn derStaatsmann" Birchow meinte das im Ernst, und das war eben das Komische an der Sache. Die Bewilligung der Anleihe wurde verweigert, und die Kosten für die Reorganisation wurden im Ordinarium und im Extravrdinarinm gestrichen. Das Herrenhaus verwarf zum zweitenmale das von dem Abgeordnetenhause aufgestellte Budget und stellte die ursprüngliche Regiernugsvvrlage wieder her. Das Unterhaus erklärte diesen Beschluß wieder für null lind nichtig und erklärte ferner, daß die Staats- regiernng sich eines offnen Berfassuugsbruches schuldig mache, wenn sie fort­führe, ohne Zustimmung beider Häuser des Landtages über die Mittel des Staates eigenmächtig zu verfügen. Am 25. Januar wurde der Landtag auf Befehl des Königs von Bismarck geschlossen, um erst im Anfange des folgenden Jahres (1865) wieder zusammeuzutreteu.

Während bis dahin in der innern Politik eine erträgliche Ruhe herrschte, vollzogen sich die weltgeschichtlichen Ereignisse, die die meerumschlungeueu Herzogtümer endgiltig von der düuischeu Fremdherrschaft befreiten und sie als wirkliche und lebendige Glieder wieder mit dem deutschen Baterlande ver­einigten. Die wackern Regimenter in Schleswig, meist Brandenburger uud Westfalen, zeigten, daß die Preußen noch verstanden, zu kämpfen uud zu siegen, und Bismarck bewies, daß die Zeit vorüber war, wo eine erbärmliche Diplo­matie mit ihreu Federn verdarb, was das blanke Schwert errungen hatte. Aufmerksamen Beobachtern konnte es nicht entgehen, daß iu der Stimmung des Volkes, die so lauge durch wüstes Geschrei und durch scmatische Partei­hetzereien irregeleitet worden war, sich eine Umwandlung vorzubereiten uud auch bereits zu vollziehen begann. Doch dauerte es noch lange, bis in dem parlamentarischen Leben Preußeus die Alleinherrschaft der Fortschrittspartei, die in demKonflikt" ihr Lebenselement hatte, gebrochen wurde.

Erst am 14. Januar 1865 wurde der Landtag von neuem eröffnet, wieder durch den König selbst. Die Thronrede ging iu ihrer Fassung bis nn die Grenze des Möglichen, um dem Hause Entgegenkommen zn beweisen und eine