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Der Verfassungsstreit in Preußen : eine historisch-politische Studie
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schaft und Vorurteil jenen Zeitraum des tvllen Stiirmelis und Drängens be­trachtet, ist jene ganze Bewegung nnr ein warnendes Beispiel, das nicht oft nnd nicht eindringlich genug dem deutschen Volke vor Angen gehalten, werden kann, um es vor den Abwegen nnd Irrwegen zu bewahren, auf die die so­genannten Vvlksmänner es immer wieder drängen möchten.

In manchen Einzelstaaten hat jenes Jahr aber doch dauernde Wirkungen hervorgerufen. Für die politische Eutwicklnng Preußens ist die Bewegung jener Zeit insofern wichtig geworden, als sie unzweifelhaft dazu beigetragen hat, die Einführung der preußischen Verfassung zu beschleunigen. Preußen, d. h. nicht der Gesamtstaat als solcher, sondern die einzelnen Landesteile nnd Gebiete, die diesen Staat oder, wie man damals auch wohl sagte, die könig­lichen Staaten bildeten, hatten früher ständische Verfassungen gehabt. Die Zusammensetzung der Stände in den einzelnen Provinzen aber, wie es früher hieß, im Königreiche Preußen, in der Markgrafschaft Braudenburg, deu einzelnen Herzogtümern, Fürstentümern, Grafschaften, Herrschaften u. s. w., war ebenso verschiedenartig, wie die ihnen zustehenden Rechte. Diese letztern wurden immer mehr nnd mehr eingeschränkt durch die unbegrenzte Gewalt der.Krone. Schon der Große Kurfürst regierte völlig unumschränkt; wie er etwaigen Widerstand zu brechen wußte, das zeigt sein Verfahren gegen den Oberste» von Kalkstein und den Schvppenmeister Rhode von Königsberg. Bekannt ist der Ausspruch Friedrich Wilhelms I. den vstpreußischen Stünden (deu Herren Junkers") gegenüber, daß erdie svuvvrainvtv als den roelmr <I0 bronüö stabiliren" wolle, auf dem der Staat ruhen solle. Hiernach handelte er, uud mehr noch nach ihm sein großer Sohn. Schließlich bestand die einzige Obliegenheit der Stände mir noch darin, daß sie bei einem Thronwechsel dem neuen Herrscher die Lehens- hnldignng leisten mußten, so zum letztenmale 1840, als Friedrich Wilhelm IV. zur Negierung kam. Thatsächlich war also vvr Erlaß der Verfassung der König der alleinige und völlig unbeschrankte Träger und Inhaber der gesamten Staatsgewalt.

Als nach dem grausigen Sturze Preußens in den Jahren 1806 und 1807 nnd nach dem kläglichen Frieden zn Tilsit die Wiedergeburt des Staates vor­bereitet wurde, da versuchte man mich, die Provinzialstände entweder wieder herzustelleu oder neu einznführeu. Einen dauernden Erfolg hatteu aber diese Bestrebungen nicht. In jenen Zeiten der schweren Not wurde auch schon eine Gesamtvertretung des Voltes in Aussicht gestellt. Namentlich in einem Edikt vom 27. Oktober 1810 sagt König Friedrich Wilhelm III. zum Schluß:Wir behalten uns vor, der Nation eine zweckmäßig eingerichtete Repräsentation sowohl in deu Provinzen als für das Gauze zu geben, deren Rat wir gern benutzen, und in der Wir Unsern getreuen Nuterthauen die Überzeilgniig fort­während geben werden, daß der Znstaud des Staates nnd der Finanzen sich bessere, und daß die Opfer, welche zu dem Ende gebracht werden, nicht ver-