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Die bedingte Verurteilung
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Die bedingte Verurteilung

so wie durch ein großes. Läßt er einmal ein Verbrechen ungestraft, so wird esals ein Vorgang angeführt," nnd hundert andre Verbrecher meinen da­durch auch ein Recht ans bedingte Verurteilung, d. i. auf Straflosigkeit erlangt zu haben.

Zum Schaden nicht bloß, sondern zum Fluch wird die neue Art der Gnade für deu Richter.Der Nichter kaun den Verbrecher bedingt verurteilen." In dem einen Wörtchenkaun" liegt die Verurteilung des ueuen Vorschlages; im Katechismus des Verwaltungsbeamten, aber nicht in dem des Nichters ist Raum für dieses Wörtchenkann." Der Verwaltuugsbeamte kann gar nicht anders, als nach Rücksichten der Zweckmäßigkeit, d. i. mehr oder weniger nach Willkür handeln; für den Nichter giebt es keine Rücksichten der Zweckmäßigkeit, er kann und darf nicht so oder so entscheiden, sondern er soll und muß urteilen, wie es das Gesetz verlangt. Willkür ist mit dem Amte des Richters völlig unvereinbar, und der Richter, dem das Gesetz nach Willkür zu entscheide» gestattet, büßt in den Angen des Volkes das Kostbarste ein: das Vertrauen auf seine Unparteilichkeit.

Aber verweist denn, wird man einwenden, die Gesetzgebung den Richter nicht jetzt schon in wichtigen Punkten auf sein Ermessen, z. B. bei der freien Beweiswürdigung und bei der Bemessung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Rahmens? Und stellt nicht sogar die Entscheidung über die Zulassungmil­dernder Umstände" jetzt schon eine Art von Begnadigungsrecht dar, das dein Richter eingeräumt ist?

Aus den zweiten Teil dieses Einwandes wissen wir in der That nichts zu erwidern, als daß wir auch schvu hierin eiue Verirrnng der Gesetzgebung erblicken; wir wollen damit denen, die die Ausnahme der mildernden Umstände in das Strafgesetzbuch durchgesetzt habeu, keinen Vorwnrf machen, jedenfalls keinen großer», als den Urhebern des Entwurfes des Gesetzes, der keine mil­dernden Umstände kannte. Man braucht kein Freund des Humanitätsdusels zu sein uud kaun doch sagen, daß die Strafandrohungen des Gesetzes, wenn man diemildernden Umstände" herausnähme, vielfach geradezu barbarisch wären. Die Vertreter des Entwurfes wollten aber seiner Zeit diese Strafen nicht preisgeben, uud so kam der unglückliche Kompromiß auf die mildernden Umstände zu stände; anstatt daß man z. B. verständig und kurz gesagt hätte: Der erschwerte Diebstahl wird mit Zuchthaus, in leichtern Füllen mit Ge­fängnis bestraft," sagt mau:der erschwerte Diebstahl wird mit Zuchthaus bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe ein." Die Männer des grünen Tisches haben ihr Prinzip gerettet, der Richter aber kann nicht bloß gerade so, wie im Fall der verständigen Fassung des Gesetzes, iu wirklich leichten Fällen auf Gefäuguis erkenueu, sondern er kauu auch ohne Pflicht- oder wenigstens ohne Gesetzesverletzung in schweren Fällen eine Be­gnadigung eintreten lassen ans Gründen, die von Nechts wegen sein Urteil