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Die Davidsbündler : ein verloren geglaubter Aufsatz Robert Schumanns
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Die Davidslnindler

(Livia Gerhard im Wieckschen Konzert.) Schade wär es und unverantwortlich, wenn dieses liebliche Talent nicht ruhig genug entwickelt würde. Mit der ätherischen Stimme muß zarter Verfahren werden als mit der Ausbildung der Hand, und das Zuviel ist dort ebenso schlimm als das Zuwenig hier. Vielleicht tauschte ich mich anch; aber mir schieu bei sonst vorgeschrittener Bildung die Stimme etwas au Frische und Glanz verloren zu haben. E.

Kein wahrer Davidsbündler bist du, Eusebins, sondern ein rechter lederner Philister mit taubeu Ohren. Es gab ein Gesetz der Griechen, schöne Statuen schweigend anzuschauen, uuu vollends eine atmende und tonende. Ein rechter Philister bist du, Eusebius. Fl.

Kritiker sollten sich aber nicht verlieben, obschon es der Franzillakritiker, dem übrigens (wenn er auch anerkannte Autoritäten zum Schaden*) anreisender Talente zu oft zitirt) ein warmer, nichts scheuender Sinn fürs Echte zugesprochen werden muß, neulich selber gethan, indem er von derselben, freilich entzückenden Sängerin auf derselben Seite sagt: daß sie l., obgleich noch Anfängerin, eine der ersten Sängerinnen unsrer Zeit zu werden verspräche, daß sie 2. bald als Stern erster Große am mnsikalischen Horizont erglänzen würde, daß sie 3. in solcher Vollendung aufgetreteil wäre, daß man sie mit Recht nuter die ersten Sängerinnen zählen könne, daß sie 4., obgleich sechzehn Jahre alt, gewiß eine der ersten Sängerinnen würde, daß sie 6. eine der ersten Sängerinnen und außer­ordentliche Erscheinung sei, sodaß alle hier in Leipzig lebenden Sängerinnen (dies unterstrichen) als Pygmäen dastünden, daß v. u. f. w. E.

Lasse dich dadurch nicht irre inachen, schöner SchN'an! (Sultanssprüche wirken in der Kunstkritik nichts), nnd hüte dich, solche Diktci, sind sie nicht im Znsammen­hang unterstützt und in Gründen entwickelt, für mehr zu nehmen als für Einfälle, uicht fiir Resultate tiefeu Forscheus! Fl.

Verheimliche die Kritik nichts! Allerdings ist alles Kunststreben approximativ, kein Kunstwerk durchaus unverbesserlich kein Ton der Stimme, kein Laut der Sprache, keine Bewegung des Körpers, keine Linie des Malers. Wird dies zu­gestanden, mag aber nicht vergessen werden, daß oft Virtuosität iu der eiuen Leistung Impotenz in der andern ersetzt, uud daß ein Werk sogar klassisch genannt werden kann, ist sonst die Manier komplet uud eigentümlich. Naro.

Daher thut die Kritik Unrecht, das Fehleu einzelner Eigenschaften, die mau vom Kuustwerk fordert, tadelnd zu bemerken; doch sei ihr das erlaubt, weuu audre Geisteskräfte sich iu ihm so stark äußern, daß notwendige vermißt werden. So fehlt dem Gesaug der Grabau gewiß der lyrische Ausflug des Franzilla-Pixisschen; aber es sind dafür andere Seiten (Reinheit nnd Wahrheit in Stimme und Ausdruck) so komplet ausgebildet, daß jeuer gnr uicht vermißt wird. R.

Je gereifter das Urteil, desto einfacher uud bescheidner wird es sich aus­sprechen. Nur wer durch zehnfach wiederholtes Lernen, durch gewissenhaftes Ver­gleichen in lang fortgesetzter Selbstverleugnnng den Erscheinungen nachgegangen, weiß, wie spärlich unser Wissen sich mehrt, wie laugsam uuser Urteil sich reiuigt, uud wie wir demnach vorsichtig in uuseru Ansprüchen sein müssen.Ohne die mannichfalligsten Erfahrungen uud Leitkeuntnisse siud wir dem Kunstwerk gegenüber mit offenen Augeu blind" las ich irgendwo. R.

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*) Demi der Lehrling wird dadurch verleitet, Kreise ,m überschreiten, die er noch nicht vollständig gefüllt hat.