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Neue Erzählungen
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Neue Erzählungen ^y<)

angedeutet, nicht aber mit künstlerischem Behagen ausgeführt. Der Erzähler eilt uns viel zn schnell vorwärts, während wir verweilen möchten, weil es gar so schön wäre! Darnm nintet nns sein Vortrug znweilen wie ein trvcknes Referat" an, das nns so lauge kalt läßt, bis nur mit eigner Phantasie das Nötige hinzuthun, nur die Begebenheiten in ihrem Werte zu erkennen und zu genießen. Eine wahre poetische Frende kann also bei diesem, man möchte fast sagen mürrischen Erzähler, trotz aller Achtung, die man ihm bereitwillig zollt, nicht aufkommen.

Mit einem stattlichen zweibändigenRoman aus Rninänien": Jonel Fortuuat führt sich ein neuer Name: Mnrev Brveiner in die Litteratur ein (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1889); nach Andeutungen ans der Vorrede zu schließen ein Rumäne, der sich iu Deutschland (Heidelberg) seine Bildung erworben hat. Broeiuer ist ohne Zweifel ein eigenartiges Talent. Ein Phantasiemensch, der originell erfinden kann; ein dichterischer Mensch, den» er hat Sinu für Naivität, er kau» Kinder schildern; ein künstlerisches Naturell, denn er hat Humor, er lacht am heitersten über die Gestalten, die er am liebe­vollsten nach allen Seiten hin charakterisirt, er steht mit vieler Freiheit seinen Menschen und Menschlein gegenüber; auch ein Stück Lyrik steckt ihn ihm, denn er vermag Stimmnug zu machen: schwul und heiter, düster, beklemmend und wehmütig elegisch; er versteht sich ans alle Künste des Erzählers, zu spannen, zu erregen, sogar bis zu einem Maße, das man nicht mehr loben kann. Er ist auch frei von jeder Tendenz, die bei seinem Werke nahe lag. Aber freilich, er verrät zu sehr die Absicht, durch starke Effekte die Meuge auzulockeu. Und auch »och andre, sozusagen persönliche Fehler hat sein guterJonel Fortnnat."

Vroeiner führt uns in das Rumänien der Gegenwart, nm dessen Sitten z» schildern. Ostslawische Halb- oder Viertelkultur ist dort dicht neben den raffinirten Pariser Lebensgenuß gestellt. Das Land hat eine konstitutionelle Verfassung, jeder Bauer ist Wähler, aber eine wahre Gerechtigkeit, die zwischen Reich und Arm, zwischen Baner und Bojar unparteiisch urteilte, giebt es nicht. Herrliche Erinnernngen an eine heroische Vergangenheit erfüllen die Köpfe der jungen Idealisten, aber die Männer am Nuder sind derbe Streber, die ihre Stellen ausnützen, um sich auf Kosteu des Volkes zu bereichern. Alle führen die großen Phrasen von Fortschritt und Zivilisation im Munde, aber es geschieht uichts, um das grenzenlos arme Volk iu Wahrheit zu fördern. Die goldne Jugend verpraßt in Tingeltangels ihre leiblichen uud wirtschaftlichen Kräfte. In diesen Lokalen finden sich alle Stände vom Minister bis herab zum Jour­nalisten einträchtiglich zusammen. Die NvlkSsängerin lind Seiltänzerin macht die besten Geschäfte, während das vornehme Schauspielhaus leer bleibt. Die Damen der guten Gesellschaft überbieten sich gegenseitig im Lnrus der Toiletten. Zu wirtschaften versteht offenbar kein Mensch. Typisch iu Europa ist ja der reisende Bojar, der sein Geld auf lustige Weise durchbriugt. Broeiuer schildert Greuzbote» III 188!) 42