Neue Erzählungen
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Europa eingesetzten Regierung nicht unterwerfen wollten. Die dritte Novelle, eben die ans dein Jahre 1856 stammende, hat den Titel „Die eiserne Krone" nud giebt nus ein ausgeführtes Bild des Langobardenreiches »nter König Knuinkpert. Germanisches Heidentum und christliches Nömertum sind noch Gegensähe, die sich befehden. Eine wechselvolle Liebesgeschichte bildet den Mittelpunkt. Die folgenden drei sichren nns wieder in die Gegenwart zurück, Erinnerungen persönlicher Art, die der Arzt nnd Dichter Lingg gesammelt hat. schimmern hindurch. Hier soll auch die Stimmung neben der Handlung Wirleu. „Berhüllt" führt u»s das traurige, aber dichterisch anmutende Bild eines ans Liebesknmmer geistesverwirrten, ursprünglich aber reich beanlagten Mädchens vor. Die Szene ist eine landschaftlich schön gelegene Irrenanstalt; der jnnge Arzt, der das Mädchen zu behandeln hat, verliebt sich in seine schöne Patientin, die schließlich den Tod im Wasser sucht und findet. Noch mehr auf die Wirkung lyrischer und laudschaftlicher Stim- mnngspoesie angelegt ist die fünfte Novelle: „Am Logo d'Avernv." Ein junger Arzt hat seine Braut bei einer Typhnsepidemie verloren nnd ist darüber schwermütig geworden. Zur Erholung reist er mich Italien. Seine Traner zieht ihn nach Kampanien; an den Stätten weltgeschichtlicher Melancholie, in den Rninen Pompejis, am schwermütigen Lago d'Avernv, jenem See, von dem ans nach der Sage der Alten Odhsseus den Eintritt in die Unterwelt gcfnuden hat, will er sich seiner eignen Trauer überlassen. Er erlebt verschiedne Abentener, verliebt sich schließlich in eine Doppelgängerin seiner Braut, die aber in der gleichen Lage ist wie er: sie tranert >"n ihren in der Schlacht gefallnen Bräutigam, hat aber geschworen, keinem Manne mehr angehören zu wollen. Ob der Arzt gesundet oder nicht, wird nicht weiter erzählt. Einen mnntern Ansgain^chirt die letzte und kürzeste Novelle: „Pvet'und Sängerin." als deren Hel? sich der Erzähler schließlich selbst entpnppt. Als Student machte er mit einigen Kollegen eine Ferienreise l'is nach Mailand. Hier trafen sie in einen, Caf^ zwei schöne, kanni erwachsene Mädchen, die als Sängerinnen bettelnd herumzvgen. Entzückt von der Schönheit der Gesichter und des Gesanges, warf unser Dichter ein ungewöhnlich großes Silberstück auf den Teller des sammelnden Mädchens, wofür ihn dieses nul einein seine Liebe entflammenden Blick lohnte. Dann verschwand sie mit der Schwester. Die Grvßmnt des Dichters ans Kosten der gemeinschaftlichen >^asse .mb zu Neckereien nnd Reibereien Slnlaß. die ein scharfes Dnell nach der Heimkehr in die Universitätsstadt zur Folge hatten. Der Dichter behielt eine starke Narbe im Gesicht als Andenken. Inzwischen gestaltete sich seine Lage sehr übel: Jnristerei und Poesie lagen bei ihm im Streite, die Poesie behielt die Oberhand, aber er nagte schon am Hnngertnche. Da verkündeten eines Tages Anschlagzettel das Konzert einer italienischen Sängerin: es war die Bettlerin ans Mailand, der Dichter erkannte sie sofort beim Besnche des Konzerts. Der