Die deutsche Arbeitergesetzgebnng
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Wäre nicht möglich, wie jeder, der in diesen Dingen schafft, täglich erfahren kann, wenn nicht im allgemeinen ein freudiges und bereitwilliges Entgegenkommen stattfände, das seinerseits wiederum in der diese Pflichten fordernden Bolksüberzeugung nnd in denn durchschnittlich vorhandenen guten Willen der Arbeitgeber sowohl als der Arbeiter seinen Ursprung hat.
Die Einrichtungen der Arbeiterversicherungsgesetze sind der äußere Ausdruck Von Pflichteuverhältnisseu zwischen dem Arbeitsherrn und seinen Arbeitern, Pflichtenverhältnisfeu, die daraus entstehen, daß sie beide zusammen arbeiten. Es haben also nicht etwa alle Arbeitgeber znsanuuengenommen gegenüber allen Arbeitern wiederum zusammengenommen Verpflichtungen, wie dies eine äußerliche Betrachtung jener Gesetze glauben machen könnte, sondern in dem einzelnen bestimmten Netriebe findet eine solche Arbeitsgemeinschaft statt, deren sittliche Grundlagen durch die deutsche Arbeitergesetzgebuug zum erstenmale in der Geschichte der Volkswirtschaft aufgedeckt worden find. Diese sittlichen Pflichten sind nicht nur solche, welche dein Arbeitsherrn gegenüber seinen Untergebenen obliegen, sondern, man kann das nicht oft genug wiederholen, ganz ebenso mich svlche, welche der Arbeiter gegen seineu Herrn und auch gegen seine Mitarbeiter hat. Es wird sich zeigen, daß diese Seite des Verhältnisses, ohne die' das ganze Werk unhaltbar sein würde, in den Bestimmungen der Gesetze nicht so deutlich hervortritt, wie die andre; sie ist aber ebenfalls ganz unverkennbar darin vorhanden. Das, was die Gesetzgebung anordnet, ist nur möglich, weil es auf einem gegenseitigen Pflichtenverhältnis beruht, weil, um es kurz auszudrücken, der Arbeitsherr eine Schutzpflicht gegeu seine Arbeiter und die Arbeiter eine Treuepflicht gegeu ihren Herren haben. Wir wollen ein Beispiel heranziehen, ans das wir noch znrückkommen werden, nämlich die Familie. Solange die Binder noch klein find, mindestens also bis zu ihrem siebenten Jahre, kaun von Pflichten derselben gegen ihre Eltern nicht die Rede sein; in diesem Lebensalter haben lediglich die Eltern Pflichten gegen ihre Kinder, aber die letztern sind deshalb auch der Gewalt ihrer Eltern in unbeschränktestem Maße ° unterworfen und haben nicht das Necht des eignen Willens. Ganz ähnlich war es in der antiken Volkswirtschaft, wo der ungeheure Unterschied zwischen der Bildung der Wohlhabender» und der minder Wohlhabenden dazn führte, daß die letzter» die Sklaven der erstern waren; damals gab es Arbeitsgemeinschaften nur so, daß einer darin der völlig ausschließliche Herr, die andern seine willenlosen Werkzeuge, Sklaven waren. Heute, durch das Christentum nnd die in Deutschland darauf beruhende allgemeine Schulpflicht, ist das anders geworden. Der Arbeitsherr ist durch die auch dein Geringsten zu teil gewordene Bildung in der Volksschule nicht mehr so nnendlich verschieden von dem Untergebenen; er befiehlt nicht mehr so nnnmschränkt, sondern es ist mehr eine ans Überlegenheit beruhende Leitung. Dementsprechend sind auch seine Pflichten gegen die Untergebenen edlere, höhere; der Arbeiter ist nicht mehr