Die böhmischen Landtagswcihlen
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beseelt sie derselbe Deutschenhaß wie die Alttschechen, nur das kann zweifelhaft erscheinen, ob er bei ihnen stärker ist, als ihr Haß gegen deren Verbündete, die böhmischen „Junker" nnd „Pfaffen." Als Grcgr vor einigen Monaten im Wiener Neichsrate seine feuerspeiende Philippika gegen die beabsichtigte Beiuträchtiguug der Volksschule durch die .Kirche nnd ihre Bundesgenossen abgeschossen hatte, waren Dentschliberale so hingerissen davon, daß sie nicht umhin lvuuteu, dem Redner für den Genuß dankbar die Haud zu schütteln. Aber drei oder vier Tage später beglückwünschte ihn Nieger wegen eines wutschnaubenden Aussalls gegen die Dcutscheu. Diesen konnte also, wie sehr ihnen die Feindschaft Gregrs und seiner Freunde gegen die Feudalen und die Geistlichkeit gefallen mochte, ein Erfolg der Juugtschechen bei den Wahlen völlig gleichgiltig sein, sie hatten von dem eine» Lager ihrer uatioualeu Gegner ganz ebensowenig zn hoffen nnd ganz ebensoviel zu fürchten wie von dem andern. An die Möglichkeit einer Einigung ans gütlichem Wege glaubt wohl keine Seele mehr. Der Plan einer Abgreuznng und Sonderling der sprachlich rein deutschen und rein tschechischen Verwaltnngs- nnd Gerichtsbezirke, von den deutschen Abgeordneten früher als gutes Auskuuftsmittel lebhaft empfohlen, ist heute ein überwundener und halbvergessener Standpunkt Ob Riegcr die Oberherrschaft der deutschen Sprache bekämpft oder Gregr die der tschechischen verlangt, ist nngefähr dasselbe, außerdem aber, was das letztere betrifft, mich deshalb gleichgiltig, weil der Kaiser und seine Regiernng immer geneigter sein werden, den Wünschen der ihnen gefälligeil konservativen Partei nach Möglichkeit zu entsprechen, als den groben Forderungen der hitzigen und begierigen Demokraten des tschechischen Dvppellagers.
Mit derartigen Betrachtungen und Erwartungen sahen die Kenner der böhmischen Verhältnisse den Wahlen der ersten Juliwvche entgegen, nnd die ersten Tage schienen zn bestätigen, was die Liberalen gehofft hatten. Die < Wahlen der deutschen Landbezirke hatten ein Ergebnis, das durchaus crfrente, aber nicht überraschen konnte. Die deutschen Landgemeinden haben hierbei mannhaft wie früher (1887) abgestimmt, die deutsche Partei hat nicht mir alle ihre alten Mandate behalte», sondern auch eine Eroberung zu verzeichnen, die umso wertvoller und verheißungsvoller erscheint, als sie im Umkreise des Schwarzenbergischen Machtbezirkes liegt, der schwer zn Gunsten des Tschechen- t"ms auf die Geister drückt und innerhalb dessen ans hundert Wegen nnd mrt allerhand Einflüssen das deutsche Element gehemmt und bedrängt wird, ^otz aller dieser Mittel und Mittelchen ist der Krumauer Bezirk, der bei vorletzten Wahl verloren gegaugcn war, von der deutschen Partei zurückgewonnen worden, nnd dieser Wahlsieg darf wohl als gute Vorbedeutung für "e Zeit der nächsten Neichsratswahl angesehen werden. Eines von vielen nicht verhofften und sehr bedeutenden Erfolges hatten sich sodann bei diesem ersten Akt des Wahlschanspiels die Jnngtschechen zn rühmen, Sie haben die