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Die böhmischen Landtagswahlen
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Die böhmischen Candtagswahlen

ie Wahlen für den Prager Landtag werden vielen Deutschen im Reiche nicht viel Interesse zu verdienen scheinen. Bei aufmerk­samerer und sorgfältigerer Betrachtung der Sache gestaltet sich jedoch die Meinung über sie wesentlich anders, und wenn die jetzt in der Hauptsache vollendete Neugestaltung der Vertretung des böhmischen Volkes in Betreff der tschechischen Gruppe wirklich so gründlich gewesen wäre, als die ersten Berichte darüber annehmen ließen, so würden wir in den Iuliwahlen ein sehr bedeutungsvolles Ereignis vor uns sehen. So aber, wie sie sich in ihren letzten Ergebnissen darstellen, sind sie zwar immer noch ein Zeichen der Zeit, aber doch mehr eine Warnung vor vorschnellem Triumphireu, eine Reihe von Wandlungen, die für künftig empfiehlt, den Tag nicht vor dein Abend zu loben oder zu schelten.

Die Deutschen, die ungefähr ein reichliches Drittel der Bevölkerung der Provinz Böhmen vertreten, sind nicht bloß deshalb, weil sie vom Ministerium Taaffe in nationaler Beziehung übel behandelt und den Tschechen hintangesetzt worden sind, sondern auch als Liberale entschiedne Gegner der Regierung, Mm Teil wohl auch, weil sie selber nicht mehr regieren. Sie sind brave T^uw, aber schlechte Politiker, und in die Freude, daß sie im Volle ihr An- Ichen und ihre Gefolgschaft bewahrt haben , mischt sich einige Verwunderung, " ihnen das Deutschtnm nicht als Höchstes, vielmehr nur als Vehikel für ' M liberalen Wünsche gilt. Schon vor den Wahlen wußte man mit ziem- >cher Sicherheit, daß die Wähler tren bleiben, und daß sie selbst im südwest- uchen Böhmen, imKönigreich Schwarzenberg," fest unter der nationalen Zahne verharren würden. Schlimm, wenn auch sehr begreiflich, ist nur, daß Grenzboten III z.839 13