Maßgebliches und Unmaßgebliches
blick auf ähnliche Veröffentlichungen aus andern Städten — Lübeck, Hamburg, Frankfurt u, f. w. — zu einem lesbaren Gesamtbilde verarbeitet.
Kein städtisches Archiv, keine Stndtbibliothek, kein Gcschichts- oder Altcrtnms- verein sollte sich dieses wertvolle Werk, dessen Beschaffung so leicht gemacht ist, entgehen lassen.
Über die Zeit des Guidv von Siena betitelt sich eine ursprünglich in den „Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung" erschienene Abhandlung von Professor Franz Wickhoff in Wien, einem.jüngern Kunstforscher, der sich durch verschiedne Untersuchungen von bleibenden: Werte einen sehr vorteilhaften Namen bei seinen Fachgenvssen erworben, hier aber eine Arbeit geliefert hnt, die Anspruch auf alle Beachtung nnch in wcitern Kreisen machen darf. Der angeführte Titel trifft eigentlich nur den Ausgangspunkt dieser Studie. Der Verfasser unterzieht nämlich zunächst die Gründe, durch die sich Gaetano Milcmesi bestimmt gefunden hat, die Entstehungszeit der Madonna des genannten Meisters in San Domenico zu Siena für ein Werk vom Ende des dreizehnten Jahrhunderts zu erklären (während die Inschrift darauf das Jahr 1221 ncunt) uud damit der Schule von Siena den Ruhm abzusprechen, vor Florenz die Bahn einer ncnen Knust iu der Malerei beschrittcn zu haben. Die Beweisführung Milcmcsis ist ziemlich allgemein angenommen worden, wenn mich hie und da mit Vorbehalt. Bnrckhardt erwähnt, daß die Inschrift „als Fälschung betrachtet wird," Gscll-Fels aber, von dem die meisten Reisenden in Italien sich unterrichten lassen, nennt die Madonna schlankweg ein „kuustgeschichtlich berüchtigtes Bild." Den ersten Grnnd Milcmcsis, nämlich daß in den gleichzeitigen Dokumenten ein Maler Guido nicht zu entdecken gewesen ist (worauf auch Crvwe uud Cavalcaselle Wert legen) betrachtet Wickhoff mit Recht als weuig bedeutend, denn es wäre ja nur Zufall, Wenn fich aus so früher Zeit ein Aktenstück mit dem Namen des Malers erhalten hätte. Von dem zweiten Grnnde, dem aus dem künstlerischen Werte des Werkes abgeleiteten, bemerkt er eben so zutreffend, daß dieser immer etwas Subjektives behalten werde. Entscheidend sei der dritte, der Paläographische. Und hier nun beweist der Verfasser an der Hand einer getreuen Wiedergabe der angezweifelten Inschrift und durch die Verglcichung mit andern, unzweifelhaft echten, erstens, daß die Anwendung der gothischen Majuskel keineswegs erst in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts in Italien gebräuchlich geworden ist, und daß auch die Annahme des Wegfalles von Zahlbnchstaben in der Jahreszahl auf schwachen Füßen steht.
Er begnügt sich aber nicht, dem Sienesen den ihm gebührenden Platz wieder zu erobern, sondern unterzieht die Nachrichten über denjenigen Künstler, dem die Kritik Milauesis zu gute gekommen ist, Cimabne, einer gründlichen Prüfung. Da ergiebt sich denn, wie aus den oft zitirteu Versen Dantes, die nur besagen, daß Cimabues Ruhm durch Giotto verdunkelt worden sei, nach und nach die Legende von Mottos Schülerschaft n. f. w. erwachsen nnd von Vasciri eine Biographie des erstern zustande gebracht wvrdeu ist, vou dem nachweislich einzig nnd allein die Gestalt des Johannes in dem Mosaikgemälde des Doms zu Pisa bekannt ist. Wir können der mit ebenso viel Scharfsinn als Gelehrsamkeit geführten Untersuchung, die sich zu einer Kritik der Methode Vasari überhaupt gestaltet, nicht im einzelnen folgen, sondern wollten nur auf die Abhandlung aufmerksam machen, die zu lesen noch genußreicher sein würde, wenn sie nicht von einer unglaublichen Menge von Druckfehlern belastet wäre.