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Litteratur
seiner höchst interessanten Betrachtungen gezogen hat, natürlich nicht in planlosem Durcheinander oder langweiliger Aufzählung, soudern in einer durch sachliche oder sprachliche Beziehungen gegebenen Ordnung und Gruppirung,
Für eine neue Auflage, die, wie bei der unermüdlichen Umschau des Verfassers zu erwarten ist, auch wieder neue Funde bringen wird, möchten wir wenigstens auch unser Scherflein beisteuern. Jedem bekannt ist das Wort Abzng, auch Abzugskanal, daneben Abzucht, im Sinne von Kloake, das wohl allgemein, aber doch mit Unrecht als gleichen Ursprungs mit abziehen gehalten wird. Es ist aber nichts andres als lateinisches agu-uzÄnows im deutschen Gewand und wohl der niederdeutschen Form Motuellt, welches seinerseits aus axotnont umgedeutet ward, nachgebildet (Andresen S. 272). Wie weit sich ein solches Wort von seinem Ursprung entfernen kann, und welchen Verballhornungen eiu Fremdwort mitunter ausgesetzt ist, kaun uns eine Abart des erwähnten Abzucht zeigen; es begegnet in mitteldeutschen Urkunden des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts ganz hänsig als abzucht, »zucht, aber auch als — Ehezucht! — Ju der Freiberger Umgegend nannte man früher einen recht dnmmen Menschen einen Tskesel, d. i. hochdeutsch Teig-Esel (ohne Zweifel eiu Gebäck von der Form eines Esels); sollte dies Wort nicht im Munde des witzelnden gebildeten Städters zu Theekessel, worunter man allgemein einen dummen Menschen versteht, geführt haben? Beim Worte Hahnrei, für das Andresen Heync (im Grimmschen Wörterbuch) gefolgt ist, bleibt Dungers Erklärung (Germanin Bd. XXIX S. 59 und Deutsche Litteratur- Zeitung 1388 Nr. 48) unerwähnt; uns scheiut diese entschieden annehmbarer als die Heynische. Für die Redensart „sein Schäfchen ins Trockne bringen" deren verbreitete Auslegung (Schäfchen — Schiffchen) Andresen mit guten Gründen bekämpft, könnte er wenigstens auf die hübsche Vermutung (in der Hauptsache deckt sie sich mit der feinen) von Nndolf Hildebrand im Buche Vom deutschen Sprachunterricht (3. Anst. S. 114) hinweisen; von dort (S. 146) wäre auch Verdikt, worin doch selbst Gebildete nicht das lateinische vors (äietum), sondern das deutsche vcr- in verdammen, verurteilen hören, anfzuuehmen. Für einen letzten Hinweis, nnd damit wollen wir die Anzeige schließen, wird uns Andresen dankbar sein. S. 97 gedenkt er auch des in den alten deutscheu Rechtsbüchern begegnenden Biergeldc (z. B. im Sachsenspiegel), von dem auch Andresen annimmt, er habe seinen Namen nicht nach dem Biere, sondern nach der Gerste (g'vt>. baris), die er zu liefern hatte. Beide Ableitungen sind, wie jetzt (von Graucrt, Drei bairischc Traditionsbüchcr des zwölften Jahrh., München 1880) erwiesen ist, falsch. Biergelde gehört, wie das bekannte urbür, urbor zum altdeutschen beru (in unserm „gebären," „fruchtbar") und bezeichnet (fränkisch dnMgiläi) kleine Eigentümer, die zum Zins von ihrem Gute (urbar) verpflichtet sind, nicht von ihrem Leibe, wie die Uufreien.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck vou Carl Marquart in Leipzig