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Akademisches Studium und allgemeine Bildung
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^>14 Akademisches Studium und allgemeine Bildung

Am schärfsten stoßen diese Gegensätze in der philosophischen Fakultät zu­sammen, und man könnte geradezu sagen, bei der ganzen Frage handele es sich schließlich nm die Stellung und Bedeutung der philosophischen Fakultät in dem Organismus der Universitäten. Beide find gegen früher beträchtlich geändert, namentlich weil der Netrieb der akademischen Studien nicht bloß gegen die alten Zeiten, sondern auch gegen das, was noch vor wenigen Jahr­zehnten darin üblich war, eine tiefgehende Wandlung erfahren hat.

Alter akademischer Brauch setzte bekanntlich die philosophische Fakultät aw die nntere den drei ander» als den oberen entgegen. Mangelhafte Kenntnis der Ailfänge der Universitäten hat eine sehr unberechtigte Dentung dieser Be­zeichnung verschuldet. Auch der große Denker, den die Albertina mit Stolz den ihren nennen darf, hat sie gelteil lassen und dnrch seine Schrift über den Streit der Fakultäten" weiter verbreitet. Jene Rangordnung soll uämlich bestimmt sein dnrch das Verhältnis der von den Faknltäten vertretenen Wissen­schaften zum Staate, insofern diejenigen Wissenschaften, an denen der Staat ein besondres Interesse hat, weil ihre Lehren auf das praktische Leben Einfluß übeu, und die deshalb rücksichtlich ihrer Lehre von ihm abhängig sind, eine lwhere Stellung einnehmen als die, welche von der Staatsgewalt völlig unab­hängig sein müssen, weil sie ihrem Wesen nach für ihre Lehre unbedingte Freiheit fordern, svdaß sie durch staatliche Vorschriften beeinflussen ihr Dasein überhaupt vernichten hieße. Weil Theologie, Jurisprudenz nnd Medizin dein Staate nützen, indem sie ihm die für Erfüllung seiller Pflichten nötigen Ge­hilfen oder, wie Kant sagt,Geschäftsführer des ewigen, des bürgerlichen und des leiblichem Wohls der Meuschen," d. h. Geistliche, Richter und Ärzte bilden, sollen sie für ihn wichtiger sein als die reine Geistcswissenschaft pflegende philosophische Fakultät, obgleich diese doch eigentlich die von jenen behandelten Wissenschaften mit in de» Kreis ihrer Betrachtung zieht, nur daß sie kritisch behandelt, was jene positiv lehren, uud so den Gegensatz erneut, der zwischen rationaler Wisseuschaft und positiver, zwischen theoretischer nnd praktischer, zwischen Kritik uud Satzung nun einmal besteht. Hier ent­springt der Streit der Fakultäten; rechtmäßig aber ist er nach Knut nur so lauge, als die wissenschaftliche Begrüuduug der Glaubens- und Nechtslehreu kritisch geprüft wird. Bestehen sie dabei uicht, so gilt es, sie umzubilden und zu verbessern; der Streit der Fakultäten führt also dank der Philosophie zu einer praktischen Reform. Dadurch aber ist das angebliche Rangverhültnis der Fakultäten unter einander thatsächlich völlig verändert, nnd im Hinblick auf die mittelalterliche Bezeichuung der Philosophie als derMagd der Theologie" kann Kant treffend bemerken, es frage sich nur, ob diese Dienerin der gnädigen Fran die Schleppe nach- oder die Fackel vvrantrage.")

*) Vgl. K. Fischer, Geschichte der imicren Philosophie Bd. IV, S, 512 sf.