^08 Das Anwachsen der Großstädte
(Land und Lente) bezeichnend „riesige Enzyklopädien der Sitte wie der Knnst und des Gewerbfleißes des ganzen zivilisirten Europas", aber „das gesunde Gedeihen der bürgerlichen Gesellschaft begehrt das mittlere harmonische Maß selbst im Wachstum der menschlichen Siedelungen."
Die Wirksamkeit der angeführten gemeinnützigen Anstalten hat nämlich auch ihre Grenze, während von den Annehmlichkeiten, hauptsächlich aber vvu der durch die Großstadt bewirkten Steigerung in den Arbeits- und Erwerbsgelegenheiten leider eine Unmasse Existenzen angelockt werden, die an diesen Vorteilen wenig oder gar nicht teilnehmen können, dagegen entweder in Elend nud Entbehrung ein jammervolles Dasein führen, von Tag zu Tag vergeblich ans Besserung oder plötzliche Glücksfälle hoffend, oder gar in unredlicher Weise um ihre Existenz ringen: die Großstadt tauscht dagegen das Elend, verdorbene Luft, verkommeue Sitten, Unsicherheit, Krankheiten und Epidemien aller Art eiu und kann den Zuzüglern doch nicht Ersatz für den Erwerb verschaffen, den sie ans dem Lande, wenn auch in bescheidener Art, gefunden hätten. Je mehr sich die Großstadt über das natürliche Verhältnis ausdehnt, desto schwieriger wird insbesondere die entsprechende Befriedigung der sanitären Aufgaben wie die Sorge für genügende Krankcuhilfe, Armeu- verpflcgung, Kaualisirung, Tvtenbestattung, Abfuhr der Auswurfstoffe, Bekämpfung von Epidemien; insbesondere werden die Wohnnngsverhältnisse der zahlreichsten ärmsten Klaffe immer »»genügender, indem — wie die Statistik zeigt — die Vermehrung der kleinen Wohnungen in keinem Verhältnisse zn der Vermehrung der Bevölkerung in diesen Städten steht, so daß aus Mangel an genügendem Angebot die hohen Mietpreise dieser kleinen Wohnungen zn unerträglichen Verhältuisseu, namentlich zn der Einrichtung der Schlaflente nnd znr Nberfüllung führeu (Ludwig Fuld, Die Wvhnnngsnot der ärmeren Klaffen, in den deutschen Zeit- und Streitfragen 188!>, Heft 47).
Betrachtet man, namentlich im Sommer, vvu einer benachbarten Höhe den Dunstkreis einer solchen Großstadt, so schaudert es einen vvr dem Brvdem von Staub nnd Rauch, den die großstädtischen Lnngen einatmen, besonders die Lungen derer, die in einer solchen Stadt die heiße Zeit verleben müssen.
Wie sehr aber der durchschnittliche Wohlstand in diesen Städten abnimmt, zeigt sich z. B. selbst in dein sonst so behäbigen Frankfurt a. M., wo im Jahre 1846 nur die Hälfte der Familien, im Jahre 1888 schon 66 Prozent von ihnen ohne Dienstboten bleiben mußten, sich in dieser wichtigen Beziehung daher nicht über die ländlichen Familien erheben konnten, die doch ohne Dienstboten weit behaglicher durchkommen, als die unbemittelten Bewohner der Großstadt in ihren meistenteils unbequemen und ganz entlegenen Quartieren.
In welcher Progression alle diese Mißstände in den Millionenstädten zunehmen, und wie sehr man unwillkürlich an das Schicksal Babhlons gemahnt wird, wenn man z. B. das Anwachsen von London betrachtet, das jetzt schon