Beitrag 
Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Koburg-Gotha. 1
Seite
103
Einzelbild herunterladen
 

103

Borsitz in der Buudesbchörde als eiu Ehrenrecht, Prenßen dagegen teilt künftig mit ihm abwechselnd das Recht des Vertrags nnd der Eröffnung der Ein­gänge. 2. Österreich tritt mit seinen sämtlichen Kronläudern, ausgenvmmen einzig die italienischen, in den Bund. Das frühere Stimmenverhältnis iin engern Bundesrate wird nur insofern abgeändert, daß jede der beiden Groß­mächte künftig 3 statt bloß eine Stimme hat. Natürlich waren die Königs­hofe von München, Dresden, Stuttgart nnd Hannover damit nicht entfernt zufrieden, und so wurde dem Herzog Ernst am 21. März, also nach drei­monatlichen Berhandlnngen eines Rats ohne Rat, versichert, das Wahrschein­lichste sei vorläufige Rückkehr zum alten Bundestage.

Der Herzog war inzwischen selbst in Dresden gewesen, und sein Bericht über die eigentümliche Welt, die er hier versammelt faud, ist von besondern! Interesse. Am Hofeschien man es ganz aufgegeben zu haben, sich eiue be­stimmte Überzenguug oder ein wie immer geartetes Programm über die als unlösbar betrachteten deutschen Verhältnisse zn bilden; die einfache Negation gegen alles, was in den letzten Zeiteu geschehen oder versucht worden war, beherrschte die Stimmung im allgemeinem. Die trefflichsten Rcprcisentauteu der vormärzlichen Verhältnisse schienen kaum begreifen zu köunen, daß mau die staatlichen Dinge nicht bloß nach Familienempfindnng und Tradition, sondern anch aus dem Gesichtspunkte der Notwendigkeiten behandeln müsse." König Friedrich August z. B. sagte zu seinem herzoglichen Gaste:Ich habe Sie immer so lieb gehabt, und so hat es nur doppelt weh gethan, daß Sie sich von der sächsischen Familientraditivn zu dieseu unfruchtbaren deutscheu Univns- bestrebungcn abgewandt haben."Er dankte Gott, wenn er nicht Politisiren mnßte, und bat darum, nur nicht über Politik mit ihm zu sprechen."

Um so reicher nn Projekten für die Zukunft Deutschlands war Neust.Er träumte von einem großen mitteleuropäischen Stantenbnnde mit Osterreich, welcher das Stabilitätsprinzip sichern und den Westen und Osten Europas beherrschen würde, zeigte sich den österreichischen Ideell eures mitteleuropäischen Handels­und Zollsystems geneigt und prophezeite den baldigen Untergang des peußischeu Zollvereins als letzter Schranke des großdentschen Gedankens." In diesem Uni­versalreiche fand er Platz für einige Vergrößerung der Mittelstaateu, nament lich Sachsens. Der Kriegsminister Rabenhorst wünschte und befürwortete mili­tärische Einignng der thüringischen Staaten mit Sachsen und Gruppiruug andrer Kleinstaaten nin die Königreiche, natürlich mit Ausnahme Preußens. Während die Baiernunumwuuden nnssprachcn, daß es das Bestreben Öster­reichs und der uichtdeutscheu Großmächte sein müsse, aus ihnen eineil Preußen gewachsenen Staat zu machen, während sie deshalb für die Mcdiatisirnng be­nachbarter Kleinstaaten waren und sich in die Trias hineiutränmteu, wollte die Dresdner Negierung das Königreich Sachsen nicht gerade zur Großmacht erweitert wissen; aber der Dresdner Patriotismus forderte die an Preußen