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Postuma
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Gedichte von Isolde Kurz

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Gedichten gehabt, wem: er sich nicht an der Einladung, lieber ins Wirtshaus als in die Schule zu gehen, die beide enthalten, gestoßen hätte. Zu den wert­vollen Stücken muß man auch die GeschichtsbilderZwei Gedenktage" und Lied im Schloß Favorite" zählen. Im Ganzen hat der Nachlaß vorwiegend biographischen Wert, bei der Volkstümlichkeit Scheffels hatte aber die Ver­öffentlichung die vollste Berechtigung. Eine echt Scheffelsche Schnurre, die sich an das wagt, was dem Gemüt am teuersten ist, aber mit echtem Humor es wagt, und die darum auch ohne Bedenken aufgenommen worden ist, mag schließlich hier noch Platz finden.

Der wahre deutsche Kaiser

Herr Wenzcslaus von Böhmen, der war ein wackrer Mann, Er saß beim Rhcinwcinfasse vom frühsten Morgen an, Und war ihm das langweilig, so ging er ans die Jagd: Aus den Regierungssorgcn hat er sich nichts gemacht. Sankt Nepomuk, der Fromme, der predigte ihm Büß', Herr Wenzel sprach mit Lachen:Man werf ihn in den Fluß! Das helle Moldauwasscr wird ihm gedeihlich sein: Bleib' jeder bei seinem Leisten, ich bleib' bei meinem WcinI" Ein Herold kam geritten und bracht' die schlimme Mcir, Daß er von Stund des Reiches und Throns verlustig wär'! Herr Wenzel strich den Schnurrbart und sprach:Das ist mir Wurst! Ich bin ein Mensch vor allem, drum hab' ich immer Durst. Und soll ich den nicht stillen von wegen meiner Krön', So mag der Teufel holen den deutschen Kaiscrthron! Viel lieber ein Privatmann beim vollen Fasse Wein, Als ein geplagtes Lasttier, ein deutscher Kaiser sein!" Er ließ sich pcnsionircn und trank dann frisch und froh, Und wenn ich Kaiser werde, so mach' ich's ebenso. Wien Moritz Necker

Gedichte von Isolde Aurz

ie es in den Herzen liebender Jünglinge und Männer aussieht, darüber bekommen wir jahraus jahrein von mehr oder weniger berufenen Minnesängern gar viel zu hören. Als einen seltenen Fall dagegen kann man es betrachten, wenn uns einmal eine Frau ihr Inneres erschließt, insbesondere uns in die tiefsten Geheimnisse ihres Licbcslebens einweiht selbstverständlich in lyrischer Form; enn was die Erzählung, namentlich die prosaische betrifft, so ist diese ja vor­zugsweise jetzt eine Domäne derweiblichen Feder" geworden. Warum aber

Grenzboten I 1889 12