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Postuma
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I^osturnÄ

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Kampfes eines Genies gegen die Trägheit der Menschen und die Ungunst der Natur. Es ist nicht alles in philosophische Formeln zu fassen, was Storm in den Formen der bildenden Künstler hier ausgesprochen hat. Darum ist auch derSchimmelreiter" ein so einziges Werk der Poesie. Nach einem Frühlings- stürm reitet Hauke auf die Deiche, um sie zn besichtigen, und macht dabei die beunruhigende Wahrnehmung, daß der alte Deich, auf den der neue stößt, durch eine Strömung, die sich gebildet hat und von dein neuen Deich auf den alteil gelenkt wird, Schaden gelitten hat. Es ist ihm sogleich Kar, daß hier die größte Gefahr droht; entweder bricht bei einer Stnrmflut der alte Damm, und dann ist das Dorf verloren im alten Koog, oder der neue Damm mnß dann durchstochen werden, und damit ist der neue Koog und sein Lebenswerk ver­nichtet. Er eilt zu den andern Deichbevollinächtigten. Diese aber nehmen die Sache leicht, und Hanke läßt sich beruhige». Er ist der alte nicht mehr! Er hat nicht mehr die rücksichtslose Energie, die sich durch nichts beirren ließ; er ist auch von seiner Krankheit geschwächt; er besänftigt sein eignes besseres Ge­nüssen und läßt die Kollege» walten. Das ist seine Tragödie. Denn der un­glückliche Zufall will es, daß gerade in diesem Jahre 1756 ein Sturm im Herbste kommt, wie ihn jene Gegend seit Jahrhunderten nicht erlebt hat. Zu spät erwacht in Hauke die einstige Thatkraft. In der fürchterlichen Unglücks­nacht jagt er auf seinem Schimmel antreibend hin und her zwischen den Ar­beitern, die den letzten Versuch machen, den Damm zu stopfen; aber erfindet keinen Gehorsam mehr. Sie versuchen alles zu retten, indem sie Haukes Damm durchbrechen; aber während er sie noch daran zu hindern sucht, tritt das Ge­ahnte ein, der alte Damm bricht, und die Wogen verschlingen mit vielen andern Elke und ihr Kind uud den Schimmelreiter. Als die Fluten verlanfeu wareu, da stand der Hanke-Hnien-Deich unversehrt da, und er steht noch bis auf den heutigen Tag.Der Dank, den einstmals Jeve Manners bei den Enkeln seinem Erbauer versprochen hatte, ist, wie Sie gesehen haben, ausgeblieben; denn so ist ^, Herr: denn Sokrates gaben sie ein Gift zu trinken und unsern Herrn Christus schlugen sie n» das Kreuz! Das geht in den letzten Zeiten nicht mehr leicht; aber einen Gewaltsmcnschen oder einen bösen stiernackigen Pfasfen zum Heiligen, oder einen tüchtigen Kerl, mir weil er nns nm Kopfeslänge überwachsen war, kMm Spuk- und Nachtgespenst zu machen das geht noch alle Tage."

Storm hätte diese Geschichte ganz wohl, nach der gangbaren Einteilung, "ls eine» Roman bezeichnen können; denn er hat imSchimmelreiter" seinen Helden mitten aus einem bestimmten Zustande seines Volkes heraus und dieses mit dargestellt; er hat ferner auch ei» Schicksal von der Wiege bis zum Grabe Erfolgt, nicht bloß nach Art der Novelle eineil Lebensabschnitt herausgegriffen. Aber die Technik der Novelle hat Storm auch hier beibehalten. Er ist sehr sparsam mit seineu Figuren, und welche Wirkung er, nach der Art H. v. Kleists, mit Einzelheiten, Dingen und Menschen hervorruft, die immer wieder durch