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Im Mondschein mit Goethe.
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S06

Im Mondschein mit Goethe.

er leistet sie willig, unbekümmert darum, daß man oft auch sehr ungerechte Forderungen an ihn stellt denn was kann er dafür, wenn finstre Wolken­massen sich zwischen ihn und uns schieben, und die hohe Obrigkeit sich gleichwohl auf seine Hilfe hartnäckig steift?

Der Mvnd soll im Kalender stehn,

Doch auf den Straßen ist er nicht zu sehn,

Warum darauf die Polizei nicht achtet! (Zahme Xenicn, V.)

Aber daran ist ja nur dem Philister gelegen, der da schimpft, wenn er das himmlische Nachtlicht nicht sieht, aber gleichwohl zu danken vergißt, wenn es ihm von der Stammkneipe heimleuchtet, als

gedrechselte Laterne Überleuchtct alle Sterne,

(Triumph der Empfindsamkeit, zweiter Akt)

nnd das kann ihm gleichgiltig sein, unserm lieben Freund am Himmel.

Wir aber, die wir keine Philister sind, wir fühlen ganz andre Regungen in unsrer Brust bei seinem Anblick, bei seinem wechselnden Wachsen und Schwinden, Glühen und Dämmern, Aufstrahlen in reiner Luft und Begrabenwerden in Wetterwolken.

Die Sonne, deren vernichtendem Blick wir ungestraft gar nicht begegnen dürfen, umgießt uns alle mit jener fürchterlichen Helle, die uns rücksichtslos die Gegenwart enthüllt mit allen ihren Schönheiten und haßlichen Fratzen! In ihrem Lichte müssen wir schaffen und ringen, es stellt unser kleines Ich für uns so groß, für Viele alles unbarmherzig den Blicken der ganzen Welt bloß; da müssen wir sinnen und sorgen, daß wir nicht selber zur Fratze werden vor all den Augen, die auf uns gerichtet sind mit tausenderlei Hoffnungen und Befürchtungen, Erwartungen und Ansprüchen, in Liebe und Haß, Vertrauen und Hinterlist.

Sänke die Sonne, ohne daß ein Mond im Wechselreihen mit ihr zeitweilig die folgende Nacht regierte, unser Dasein siele aus blendendem Tagesglanz voll rauschender Lebensarbeit immer nur zurück in tiefes, naturgemäß lediglich durch deu Schlaf überwindliches Dunkel, uud so wiederum und wiederum, fort und fort, bis unsre letzte Nacht an das ewige Dunkel der Grabkammer sich anschlösse.

Diese Schroffheit gleicht er aufs freundlichste ans, unser kleiner Nacht­regent !

Es säuselt der Abend, Es sinket die Sonne Erquickend und labend In Thau und in Wonne; In Nebel uud Flor Schwankt Luna hervor. . . .