Tagebuchblätter eines Soiintagsphilosoxhcn.
261
selbst ergänze oder die Wendung gerade von der Seite nehme, die nach dem Zusammenhange eben die rechte ist, d. h. das Suchen der Wahrheit kaun des Guten gar uicht entbehren, das die Sache selbst suchen will über die Jchheit hinaus und auch die treue Hingebung des guten Willens übt, in den Dcnkkreis des Andern hineinzutrcten, als wäre es sein eigner, also: dem Gegner zu helfen, nicht um seinetwillen, sondern um der über beiden stehenden gesuchten Sache willen. Im gewöhnlichen Leben freilich gilt das Gegenteil bei manchen als eine besondere Kunst, das Geschick, in der Nede des Andern Lücken und Mehrdeutigkeiten zu erHaschen, aus Wortlücken Sachlücken zu machen zu augenblicklichem Triumph über den Gegner. In der Jugeud, z. B. in der Schulzeit, übt sich Wohl jeder mit Lust in dieser geistigen Fechtkunst. Aber im Laufe der Jahre kommt Wohl auch einer, der sie besonders gut kann, davon zurück durch die Erfahrung, daß sich an den augenblicklichen Triumph ein Schade hängt für den Ernst der Sache uud damit auch für ihn, und daß es eine größere Kraftäußerung ist, dem eben fraglichen Ganzen zu dienen als nur sich selber.
So eng hängen Wahr uud Gut zusammen, sobald man mit dem ersten Ernst macht. Und das Schöne? Ja, wo Wahr und Gut treulich zusammenstehen, tritt es von selbst dazu. Wo im Streit einer sich herbeiläßt, z. B. dem Andern in einem Punkte voll Recht zu geben wider seine anfängliche Meinung, wo er in der Rede über sich hinaus die Sache rein in sich wirken läßt, da nimmt unwillkürlich seine Stimme einen Klang, seine Miene einen Schein an, die schön sind, so schön wohl, als es seiner Natur überhaupt gegeben ist. Das Schöne wächst von selbst zwischen dem Guten und Wahren, hier wie überall, die drei bleiben doch verschwistert als Dreieinheit.