David Beronski.
53
Langsam, in tiefe Gedanken versunken, ritt Alexei heim. Aus dem letzten Häuschen des Ortes erklang eintöniger Gesang, und auf der Schwelle kauerte ein Mädchen, den Kopf au die Thür gelehut, träumerisch in die verglühende Pracht des Abendhimmels blickend. Das scheidende Licht fiel voll auf ihr blasses Gesicht, aus dem große, dunkelblaue Augen mit wunderbar sehnsüchtigem, verlangendem Ausdrucke der sinkenden Sonne nachsahen. Ein dunkelblaner Kaftan, mit einer groben Schnur um ihre feinen Hüften festgehalten, zerrissen und alt, zeigte ihre zarte, noch halb kindliche Gestalt. Lichtbrauncs Haar, ans dem ein goldiger Schimmer lag, hing aufgelöst um ihren zierlichen Kopf, und in dem Lichte der rötlich untergehenden Sonne wob sich ein leuchtender Schein um ihr Haupt, das an dem braunen Thürgewände ruhte.
Unwillkürlich hielt Alexei sein Pferd an, durch das schöne Bild gefesselt. Das Mädchen richtete sich auf und blickte ihn groß und fragend an. Verwirrt griff er in die Tasche, warf ihr ein Silberstück zu und ritt rasch davon.
Das Tageslicht schwand, die Sterne traten am Himmel hervor, der eintönige Gesang war verstummt, nächtliche Ruhe, Feiertagsfrieden lag über der Stadt. Da erhob sich in der Sabbathstille plötzlich wüster Lärm und lautes Geschrei. Das noch immer vor der Hütte kauernde Mädchen schrak zusammen, schlüpfte hinein und lugte dann vorsichtig durch eine Thürspalte. Es dauerte nicht lange, da flog wie ein vom Bogen geschnellter Pfeil der junge Mensch, welchen David Rüben genannt hatte, über die Straße, stürzte in die Hütte schlug hastig die Thür zu, verriegelte sie und sank atemlos drin zu Boden. Draußen kam das Geschrei immer näher, man konnte Drohungen und Verwünschungen unterscheiden, Fäuste donnerten gegen die Thür, die schon in ihren Angeln erzitterte. Da ertönte eine ernste Stimme, welche laut, mit eindringlichem, zürnendem Eifer sprach, worauf der Lärm nach und nach verstummte, sich alles verlor und wieder tiefe Stille herrschte.
Aufatmend sahen sich die beiden im Innern der Hütte in die schreckensbleichen Gesichter, während eine vor Alter zitternde Stimme aus einem Gemache heraus ein Dankgebet stammelte.
Sie werden uns eines Tages töten, flüsterte Rüben.
Nicht, so lange David Berouskis Stimme uns schützt, antwortete das Mädchen. Sie preßte die Hände auf ihren Busen und blickte empor, das bleiche Antlitz von plötzlicher Glut übergössen.
Er wird nicht immer hier bleiben, sagte Rüben finster. Er ist ein schwacher Mensch, der sich nicht selbst helfen kann, sonst ginge er schon morgen fort, und dauu —
Was würde dann aus uns? fragten die bebenden Mädchenlippen, und der kleinen Hand entfiel Alexeis Geldstück, das sie mechanisch die ganze Zeit über festgehalten hatte.
Was ist das? Woher hast du das? rief Rüben und nahm es schnell an