Geschichten aus Aorfu.
aber ist sein Liebling, und man geht gewiß nicht irre, wenn man auch dies auf ein im Leben des Dichters bedeutsames Ereignis zurückführt. Man sieht auch ferner den Zusammenhang mit jenem ersten Motiv der trägen Traum- haftigkeit. Diese ist eben nicht immer träge. Energische Charaktere handeln auch in dunkeln Instinkten.
Auf die Gestaltung solcher leidenschaftlichen Traummenschen versteht sich Hoffmann vortrefflich. Der blinde Mönch, der nicht Herr über seine Gesichte werden kann, ist solch ein Traumwandler und Wolkengänger; Photinissa ist geradezu ekstatisch hellseherisch, iu ihr wirkt der Glaube wahrhafte Wunder am lichten Tage. Beide gehen tragisch unter. Das Traumleben ist das Thema der stimmungsvoll erschütternden Novelle: „Die Neraide," in der mit großer Kunst an die Reste alten Heidenglaubens im korfiotischen Volke und an die zu süße Träumen einladende Natur des Landes angeknüpft wird. Der Mönch und Photinisfa bezahlen es mit dem Leben, daß ihnen geistig der Staar gestochen wird. Die Neraide führt ein gebrochenes Dasein, seitdem sie sich mit Gewalt dem kurzen, berauschenden Liebestraume entrissen hat. Heiterer und versöhnlicher führt der Dichter das Erwachen aus dem Traumleben mangelhafter Einsicht in den „Vier Büßerinnen" durch. Auch diese anmutvollen Geschöpfe sind mit der betäubenden Mystik der katholischen Kirche, wie Photinissa, von Nonnen erzogen worden. Auch sie Haffen weltliche Lebensfreude und wollen die Sünden des Vaters durch ein gottgeweihtes Leben sühnen. Allein das Schicksal hat es anders bestimmt: durch die Macht der Schönheit, durch die Kunst der Dichtung, zumal Ariostos, werden sie stufenweise aus ihren Träumen geweckt und der Gesellschaft wiedergegeben. Schade nur, daß Hoffmann sich in dieser Novelle eines allzu symbolisireuden und abkürzenden Verfahrens bedient; nach dem schönen Eingange entläßt er den Leser zwar geistreich angeregt, aber poetisch unbefriedigt. Den Weg der Erweckung aus traumhafter Verliebtheit in eine klar bewußte macht auch die schöne heilige Anastasia von Gasturi (im „Perikles") durch: sie liebte mit aufrichtiger Frömmigkeit das Bild eines heiligen Johannes, der ihr photographirt einmal in die Hände fiel, bis sie die merkwürdige Erfahrung macht, daß dieser heilige Johannes kein andrer als der Schlingel Perikles ist, der dem Photographen Modell gesessen hat. Und gar die kindliche Puppenfreundin Zosima (im „Antikenkabinet") macht, um zur rechten Erkenntnis über den Wert der Männer zu kommen, einen ganzen Erziehungskursus der sinnigsten und zugleich unterhaltendsten Art durch.
Das künstlerische Denken bewegt sich seiner Natur nach in Kontrasten. Auf diesem Wege ist die Gruppe jener in vielen Novellen Hoffmanns erscheinenden gewitzigten Jungen entstanden, die gar nichts Träumerisches an sich haben, sondern der Naivität der andern mit der berechnenden Schlauheit weltkluger Menschen gegenüberstehen: so Manuel im „Erzengel Michael." Perikles in der gleichnamigen Novelle ist der entzückendste dieser Schlingel. Sie alle