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Geschichten aus Aorfn.
recht aus dem Geiste des Zeitalters der Renaissance heraus geschaffen, jener Zeit, die sich au der neu entdeckten Herrlichkeit der antiken Kunst bis zum Übermaß berauschte. Das Krankhafte an diesem Motiv und das historisch Bedingte in seiner Wahrheit dürfte nur manchem diese erschütternde Novelle verleiden.
Bei dieser Gelegenheit wollen wir bemerken, daß Hans Hoffmann die Geschichte als dichterischen Stoff in wahrhaft genialer Weise verwertet. Sie ist ihm nichts weniger als äußerer Dekorationsapparat; sie ist ihm auch nicht das aller Welt offenstehende Sammelbecken interessanter Anekdoten, Persönlichkeiten oder Ereignisse. Seine Fabeln sind in allen Fällen frei erfunden, aber er stellt sie immer in eine Zeit hinein, deren allgemeiner Geist für die Wahrscheinlichkeit der Vorgänge und der Charaktere spricht. Es hat alles eine harmonische, tiefdurchdachte Einheit in seinen Novellen, nnd dabei kommt ihm die glückliche geographische Lage Korfus zu statten, welche jederzeit den Ausblick auf die großen Strömungen der europäischen Kultur gestattet. Am liebsten wählt er die Zeit der Renaissance, aber die „Neraidc" spielt zur Zeit des griechischen Befreiungskrieges in den zwanziger Jahren uusers Jahrhunderts, der „Erzengel Michael" zur Zeit Lionardos da Vinci, „Photinissa" gegen den Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts, wo die venezianische Republik, der Korfu politisch angehörte, ohnmächtig dahinsiechte, „Penkles, der Sohn des Xanthippos", gar in der Gegenwart; in dem neuen Bande hingegen spielen alle fünf Erzählungen in den Zeiten vor, während und nach der Renaissance. Dabei bricht die Erinnerung an Vater Homer, an den listenreichen, erfinderischen Odysseus und seine treue Penelvpe, an die keusche Königstochter Nausikaa, an den guten Alkinoos und seine lebensfreudigen Phäaken auf der seligen Insel Scheria, einem goldigen Sonnenstrahle gleich, immer wieder hervor. Man möchte sie als die Grundfarbe des ganzen historischeu Kolorits bezeichnen.
Die Schönheit als elementarische Naturgewalt im Bunde mit der Sinnlichkeit hat Hoffmann in der kühnsten seiner Novellen, in der Tragödie „Die Gekreuzigten" zum Vorwurf genommen. Der Sinn seines Unternehmens, der allerdings verwegen genug ist, ist allein der, körperliche Weibesschönheit und erwachende Sinnlichkeit mit reinen poetischen Mitteln und mit der Keuschheit des strengsten sittlichen Gefühls darzustellen; allein man hat dem Dichter Unrecht gethan, wenn man ihm in prüder Kurzsichtigkeit Neigung für geschlechtliche Motive zum Vorwurf machte. Wäre er, der sich auf künstlerische Form so meisterlich versteht, sonst mit solchem Nachdruck bemüht gewesen, die Schönheit und fleckenlose Unschuld seiner Alexandra hervorzuheben? Wie er im „Mönch" die Tragik des übertriebenen Schvnheitskultus vorzuführen suchte, so reizte es ihn, in den „Gekreuzigten" den äußersten, den asketischen Spiritualismus des mittelalterlichen Christentums im Widerstreit mit der naiven, gesunden Menschennatur darzustellen, welche die Rechte der Sinnlichkeit geltend macht. Der Priester