Literatur.
607
Ist es denn aber ein Unglück, wenn infolge der Teilnahme, die Devrients und mein Luther gefunden hat, auch andre Leute mit ihrem Luther kommen? Jedenfalls ist es ein Irrtum, wenn Sie meinen, die Erfahrung würde bestätigen, daß nur Städte für eine solche Aufführung sich eigneten, welche gewissermaßen persönliche Erinnerungen an Luther besäßen. Mir hat die Erfahrung das Gegenteil bestätigt. Görlitz hat gewiß keiue unmittelbaren Erinnerungen an Luther, und doch war dort die Teilnahme so groß wie möglich. So könnte ich noch eine ganze Anzahl kleinerer Aufführungen nennen. Fraglicher ist es ja, ob auch andre Dichtungen für die „Volksbühne" ähnlichen Anklang finden werden. Da muß man sich nun schon gedulden, bis in Worms gespielt wird. Anch meine „Christnacht, ein Weihnachtsspiel für die Volksbühne," ist in dieser Beziehung noch nicht maßgebend, denn auch hier würde eine etwaige Teilnahme den religiösen Bedürfnissen zuzuschreiben sein. Gewiß ist eine Befriedigung derselben durch die Kunst im höchsten Grade erfreulich; überhaupt wird die Volksbühne niemals denkbar sein, wenn sie nicht sozusagen mit unserm Herzen, mit uns als Deutschen im Znsammenhange bleibt, aber sie wird doch noch weitere Prüfungen ablegen müssen, ob sie auf eignen Füßen stehen kann.
Die Frage „Bergan oder bergab?" scheint mir daher noch nicht recht zeitgemäß, so wichtig es ist, wenn jener „Verflachung" entgegengetreten wird, für welche Sie an der Nachahmung der Meininger auf unseru Theatern ein so treffendes Beispiel anführen. Auch möchte ich noch bitten, die überall auftauchenden „Volkstheater" nicht mit der „Volksbühne" zu verwechseln. Jene Theater nehmen sich ihren Zusatz in derselben Absicht, wie manche Kaufleute den Titel Hoflieferanten führen. Diese liefern so wenig dem Hofe, wie jene mit dem Volke in seiner edeln, idealen Bedeutung etwas zu thun haben.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
ergevenst Dr. Hans Herrig.
Literatur.
Meine Erlebnisse. Von Ferdinand Arlt, weil. Prof. der Augenheilkunde in Wien. Mit zwei Portrttts. Wiesbaden, I. F. Bergmann, 1887.
In schlichter Weise schildert uns Arlt sein Leben. Als Kind eines Schmiedemeisters in dürftiger Gegend des südlichen Erzgebirges heranwachsend, war er nicht für das Studium bestimmt. Doch sein Onkel brauchte eiucn Knaben zur Hilfe im Meßnerdienst, und so kam Arlt aus dem Elternhause. Streng und mager ging es bei dem guten Onkel her. Eine Sticftante machte dem Knaben das Leben zur Qual. Es war daher eine Erlösung, als er das Gymnasium in Leitmeritz besuchen durfte. Durch Erteilung von Privatunterricht, immer mit Not kämpfend, gelang es ihm, sich durch das Gymnasium durchzuarbeiten und die Prager Hochschule zu beziehen. Anfangs wollte Arlt den priesterlichen Stand wählen, später aber entschloß er sich zum Studium der Medizin. Es ist bekannt, wie er sich dann zu einem der bedeutendsten Ophthalmologen entwickelt hat, zu einer Zierde der Prager und der Wiener Universität. Ueber seine letzten Lebensjahre berichtet O. Becker, ein Schüler und Freund des im März d. I. verstorbenen.
Aerzte, insbesondre die Freunde und Fachgenossen Arlts, werden an dieser Selbstbiographie ihre Freude haben.