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ihm scin Totengräberrock um die Schultern hängte und ihn bei der Haud nahm und im Triumph auf den Friedhof führte. Aber schon am folgenden Tage mußte der dicke Rock zu Hause bleiben, denn Tippe trat immer darauf, und es währte nicht lange, so erging es auch der Mütze und dem wollenen Tuch nicht besser. Und als der Winter kam, konnte Tippe mit dem Wind um die Wette übers Eis fliegen, auf dem Rücken des alten Jens über Stock und Stein reiten und Versteck mit ihm zwischen den Gräbern spielen, und das ging ganz so wie früher, oder doch wenigstens fast so, denn der alte Jens war ein wenig schwerfälliger geworden, und dann wurde ihm auch oft der Atem kurz. Aber was schadete das? Wenn nur Tippes Wangen blttthen und sein Lachen wieder so hell und klar klang wie früher; und das that es, als gäbe es weder Krankheit noch Tod.
Dachte er auch wohl noch hin und wieder einmal, wenn er in seinem Bettchen lag, an den Tod, so hatte er doch eine geheime Ahnung, daß der Tod lange nicht so schlimm sei, wie er aussah. Und dann brauchte er sich ja nicht vor ihm zu fürchten, er kannte ja das Geheimnis, und das konnte ihm den Tod drei Schritte vom Leibe halten, wenn es wirklich einmal so weit kommen sollte.
Darum schlief er auch sicher und unbekümmert ein und erwachte stets mit einem Lächeln. Aber der Kummer war nicht vergessen, er verbarg sich nur ganz still unter dem frischen Kindersinn, und der war auch die Ursache, daß, als der alte Tippe mehr und mehr wiederkehrte, sich etwas eigenartig Rührendes über ihn ausbreitete, sodaß ihm niemand widerstehen konnte.
Das war Wohl auch der Grund, weswegen die Leute im Dorfe, als sie erst merkten, daß der Tod nicht Ernst gemacht hatte, fühlten, daß sie Tippe gegenüber eine Art von Verantwortlichkeit hätten und einmal vernünftig iiber sein Wohl und Wehe »achdenken müßten, da man dies von ihm selber ja noch uicht verlangen konnte. Sie meinten es wirklich gut mit ihm. Beim alten Jens konnte er nicht bleiben — das konnten sie doch nicht gut verantworten —, wohl hatten ihn die Jahre umgänglicher gemacht, aber er war auch schwächer und hinfälliger geworden, und jedenfalls, meinten sie, könne er die Erziehung des Knaben nicht übernehmen. Und damit mochten sie wohl Recht haben, denn der alte Jens hatte ja keine andre Erziehung als die, die ihm Tippe hatte zu Teil werden lassen, und die war natürlich nicht ausreichend, um nun Tippe seinerseits wieder damit zu versorgen.
So steckten sie denn die Köpfe zusammen nnd rechneten aus, was die Mutter dem Knaben hinterlassen haben könne, was er aus der Armenkasse zu beanspruchen habe, und was wohl aus dem Tode herauszuschlagen sei, aus dem alten Rumpelstück, wenn man das Bild verkaufe, statt es dort zum Spektakel und Unglück an der Wand hängen zu lassen. So rechneten sie alles zu Tippes Bestem aus, uud als die Rechnung fertig war, wurde sie dem entfernten Verwandten eingeschickt, und der antwortete, daß die klugen Leute Recht hätten, daß