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Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssession.
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Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssesston. 299

Auch die Freisinnigen stimmten mit ein in den ultramontanen Klagegesang über die Erweiterung der Macht des Staates. Es war rührend, wie die Volkszeitung für die Stärkung der klerikalen und päpstlichen Macht in die Schranken trat. Indessen, die Freisinnigen langten auch nach einer andern Seite aus, indem sie den Nationalliberalen schöne, zärtliche Worte ins Ohr bliesen. Nach Miquels erster Rede über die Reichseinkommensteuer, in welcher er damit einen Fehler gemacht hatte, daß er dem freisinnigen Projekte viel zu viel Ehre anthat, indem er es ernst nahm, schrieb Hänels Blatt, die Kieler Zeitung:Das Finanzprogramm Miquels verdient ohne Zweifel eine vor­urteilsfreie Erörterung. Es ist nicht ganz das unsrige, aber es steht uns viel näher als das der Konservativen und Agrarier." Herr Hänel fand überhaupt, daß die Freisinnigen den Nationalliberalen viel näher stünden als ihren bis­herigen Freunden, den Ultramvntanen, natürlich, da ihm ein Ministerium Bennigscn-Miqnelmir eine Frage der Zeit zu sein schien," das dannder äußersten Rechten einfach auf Gnade und Ungnade überliefert sein würde, wenn es sich nicht auch noch auf einen außerhalb der nationalliberale» Partei stehenden unabhängigen linken Flügel stützen könnte." So außerordentlich be­sorgt war das Organ Herrn Hänels für den Bestand des zukünftigen Mini­steriums, das sich auf denlinken Flügel stützen" soll. Mit den Ultramontanen ist es nichts gewesen; sie haben zu den zweinnddreißig Mann vom Fortschritt, von denen siebzehn durch Mithilfe der Sozialdemokraten durchgebracht wurden, allerdings noch etliche liefern helfen, wie z. B. den tapfern Bamberger; aber der gute Deutsche will doch schließlich von der schwarzroten Verbrüderung zn wenig wissen, als daß man das Spiel fortzusetzen wagen könnte. Aber die Nationalliberalen, vielleicht gehen sie wieder, wie zu Laskers Zeiten, auf den Leim!

Wir haben schon früher ausgeführt schrieb das Organ des Herrn Hänel , daß die nationalliberalen Parteiführer auch ihren Blick in die Zu­kunft gerichtet halten werden." Bei diesem Blick in die Zukunft wird man den Vertreter dergroßen liberalen Partei" schon verstehen, wenn er prophezeit, "daß die Bahnen für eine maßvolle liberale Politik in absehbarer Zeit wieder frei werden können." Herr Hänel hält gewiß seine Politik, wie sie sich z. B. bei der Frage über den zweiten Direktor im auswärtigen Amte und bei der Pvlendebatte gezeigt, für ebensomaßvoll" alswirklich liberal." Und so wurde denn jede Gelegenheit benutzt, um sich an die früher so sehr verhöhnten und verworfenen Nationalliberalen heranzuschlängeln. Der Großherzog von Hessen hatte einem nationalliberalen Wahlausschuß auf die Meldung von günstigem Ausfall der Wahlen zurücktelegraphirt:Freue mich, daß ihre Be­mühungen mit Erfolg gekrönt, . . . jetzt gilt es, sich wieder mit den Wählern der andern Parteien zu versöhnen." Den letzten Satz druckt die Kieler Zeitung eiligst mit fetten Buchstaben nach. Vor einem Monat hatte die Volkszeitung, die schöne Schwester der Kielerin, den Nationalliberalen die Aussicht gemacht,