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Eine Fahrt in den Orient : (Fortsetzung) : 7. Die Derwische in Stambul.
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290 Eine Fahrt in den Orient.

seinem Eintritt auch der irdische Leib sich wandelt, denn sonst würde ich vor den Huris wenig Achtung haben, wenn sie ihre Liebkosungen an diesem schmutzigen, mißgestalteten, halb verrückt aussehenden Menschen verschwenden sollten. Einmal nimmt ja alles ein Ende, und so auch das Heulen, aber zwei Stunden mag es doch gedauert haben. Zuletzt wurden dem Scheck verschicdne Hemden uud andre Kleidungsstücke von Kranken vorgelegt, die er unter besondern Segenssprüchcn weihte, was der Heilung der kranken Besitzer forderlich sein soll. Endlich brachte mau kranke Kinder nnd legte sie vor die Füße des Scheits, ihnen schlössen sich Erwachsene in gleicher Lage an, svdciß sich eine lebendige Brücke von dem einen Ende des Saales zum andern bildete. Über dieselbe ging der Scheck mit Würde und Hoheit hinweg, aus seinen leuchtenden Angen strahlte das Gefühl, mit seinen Tritten die Dämonen aus deu Leibern der Hin­gestreckten vertrieben zu habe» eine Heilnngsweise, die jedenfalls nicht schmerz­licher und kostbarer ist als die der modernem Medizin.

Mit gemischter Stimmung verließen wir diesen Ort; Mitleideu mit der Vcrirrung des menschlichen Geistes, der das hohe Gefühl der Religion in ein abstoßendes Zerrbild verwandelte, kämpfte mit Unwillen und Ekel, und man durfte sich mit Recht fragen, ob eiu solches Volk je fähig werden kann, in Ge­meinschaft mit den übrigen Nationen zu leben. Immerhin schien mir der re­ligiöse Fanatismus beachtenswert; aber auch in dieser Hinsicht begegnete ich Spöttern, welche behaupteten, daß die Heuler sich durch den Genuß von Ha­schisch zu diesem Treiben befähigten. Unser Freund war durch das Gesehene so angewidert, daß er von einer Fortsetzung unsrer Expedition nichts wissen wollte, und seine Abscheu wurde dadurch nicht gemildert, daß wir auf uuserm Rückwege einem heiligen Derwisch begegneten, der nackt, mit Tigerfellen, Wvlfshänten nnd allerlei Tand bcdcckt, nur weil er verrückt ist, im Rufe der Heiligkeit steht und Verehrung genießt. Jedenfalls lag in dem Wahnsinne Methode; denn vertrug sich mit seiner Heiligkeit, uns anzubetteln und von den Giaurs einige Parastncke mit Dank cuizunchmen.

Am folgenden Tage mußte ich mich allein zu deu tauzendeu Derwische» begeben, deren Kloster in einem schmutzigen Winkel in Kassim Pascha nnwcit Pcra liegt. Hier war wenigstens der Betsaal luftiger, wie es ja auch für Tanzende sein muß. Die Musik zum Tanz wurde auf der Galerie ebenfalls von Derwischen geinacht, von denen die einen lange Hirtenflöten bliesen, andre geigten oder auf kleine Paukbecken schlugen und noch andre saugen, nnd zwar nach den Noten eines alten haudschriftlicheu Buches. Wie vielLeitmotive" in diesem Spektakel vorticmden waren, vermag ich nicht anzugeben, nur glaube ich, daß man ebenso gut hierbei ans dem Kopfe, wie auf den Füßen tanzen kann. Die Derwische zogen das letztere vor, wenn man ihre Bewegungen überhaupt mit diesem Ausdrucke bezeichnen darf. Der Scheck stand wieder vor dem Altar, diesmal jedoch ohne sich zu bewegen; etwa zwanzig Derwische, von denen ein-