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Neue Dramen.
Falle, und die sich demütigen, werden erhoben, scheint uns der Dichter aufs neue lehren zu wollen. Barbarossa demütigt sich nur allzusehr, beinahe auf Kosten seiner Kaiserwürde, in den Augen des Zuschauers. Nicht genug an dem Kniefall vor dem trotzig verschlossenen Löwen, muß sich der im Kirchenbann stehende Friedrich auch noch vor dem von ihm selbst aus Rom vertriebenen Papst Alexander demütigen — eine Szene, deren Notwendigkeit für die Idee des ganzen Schauspiels wir nicht recht einsehen konnten. Genug, Heinrich der Löwe hat, obwohl er wußte und davor gewarnt wurde, daß ihn alle seine Nachbarn neidvoll hasseu, auf das eigne Beispiel des Treubruchs hin die Erfahrung zu machen, daß die Welt auf Treue gegründet ist, und daß er gegen den Kaiser nichts ausrichten kann; er muß sich, von dessen Truppen umzingelt, ans Gnade und Ungnade ergeben. Der in Italien so unglückliche Barbarossa aber übt überraschend reiche Gnade an seinem treulosen Vasallen, indem er ihm bloß seine Lehen abnimmt und das Allod Braunschwcig läßt, das er zugleich zum Herzogtum erhebt, und ferner den Löwen zu dreijähriger Verbannung vom deutschen Boden verurteilt. Dieser versöhnliche Schluß auf eine solche That der Verräterei wurde zwar durch die geschichtlichen Thatsachen geboten, aber er will unser Bedürfnis nach einer poetischen Gerechtigkeit nicht recht befriedigen. Corfiz Ulfeld war auch ein Landesverräter, Marino Falieri desgleichen, und beide Dramen hat Greif tragisch enden lassen. Indes muß man zugestehen, daß er dem versöhnlichen Abschluß jenes „Löwen" glücklich vorgebaut hat, indem er das Mißtrauen Heinrichs gegen Friedrich stark begründete, sodaß man umgekehrt leicht in den Irrtum geraten konnte, Friedrichs Vorgehen sei maechia- vellistisch unredlich; sodann sind die streitigen Objekte, welche das Mißtrauen Heinrichs hervorrufen, seine Stammgüter, deren Verlust ihm besonders nahe gehen mußte; es wird auch seine berechtigte Vatersorge um die heranwachsenden Kinder nachdrücklich betont, und schließlich ist eine Verbannung für den so zäh an seinen Besitz hängenden Löwen auch ein sehr starker Schlag. Vernichtet darf aber ein um das Reich so verdienter Vasall keineswegs werden. Im übrigen zeigt das Stück große Schönheiten: eine edle Sprache, klar umrissene Nebenfiguren, häufig erhebende Stimmung der Situationen; der weite Gesichtskreis der Landschaft, der unsre Augen nach außen ablenkt von der Grübelei über innere Konflikte, steht so recht im künstlerischen Einklänge mit dem großen politischen Thema des Werkes.
Nicht eigentlich als Ergänzung gefordert und doch sehr sorgfältig vorbereitet, schließt sich Greifs Schauspiel'in fünf Akten: Die Pfalz im Rhein (Stuttgart, Cotta, 1887) dem gleichzeitig erschienenen „Heinrich der Löwe" an- In dem zweiten Stück soll die endliche Versöhnung zwischeu Welsen und Ghi- bellinen durch enge Familienbündnisse vorgestellt werden, ein Plan, der schon im ersten Schauspiel erwogen wurde, wo von der einstigen Vermählung des jungen Heinrich von Braunschweig mit der Tochter des staufischen Pfalzgrafen