Die soziale Frage im Reichslande.
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einen Teil des Reingewinns an sie abzutreten. Artikel 2 sagt, daß unter diesen besten Leuten solche zu verstehen sind, die ein Alter von mindestens 26 Jahren erreicht, mindestens drei Jahre nach einander in der Fabrik gearbeitet und sich durch Eifer, Fleiß und gute Aufführung ausgezeichnet haben. Nach Artikel 4 entwerfen die Chefs eine Liste solcher Arbeiter erster Klasse. Sie behalten sich vor, deren Zahl nach Belieben zu vermehren und von der Liste die, welche es „nicht mehr verdienen, auf ihr zn figuriren, oder die Arbeit auch nur einen Augenblick ohne Genehmigung verlassen haben, zu streichen." Nach dem fünften Artikel kommt die Verteilung nach Maßgabe des Lohnes, welchen die Arbeiter erster Klasse verdienen, und die Quote eines jeden wird zu einem Drittel sofort baar ausgezahlt, zu einem zweiten Drittel in ein dem Arbeiter ausgehändigtes Sparkassenbuch mit fünfprozentiger Verzinsung eingetragen, und zu einem dritten ihm einfach gutgeschrieben und im nächsten Jahre, um die Ziusen vermehrt, zu dem zu verteilenden Betrage geschlagen. Verläßt der Arbeiter jedoch im Laufe des Jahres die Fabrik oder erachten ihn deren Chefs nicht mehr für würdig, in der ersten Klasse zu stehen, so verliert er den ihm gutgeschriebenen Betrag, und dieser fließt der im nächsten Jahre zur Verteilung gelangenden Summe zu. Wird er entlassen — gleichviel weshalb, — so entscheidet ein aus sieben Angehörigen der ersten Klasse bestehendes Beratungskomitce, ob er den ihm gut geschriebenen Betrag verlieren soll oder nicht. Nach Art. 13 aber wird dem Komitee die Frage in der Regel nur dann vorgelegt, wenn die Chefs die zuletzt angedeutete Lösung wünschen. Im Schlußartikel behält sich die Firma noch vor, das Reglement beliebig abzuändern, falls ihr dies notwendig erscheint. Nun gehört zum Wesen der Gewinnbeteiligung erstens, daß die den berechtigten Arbeitern alljährlich zuzuweisende Summe einen objektiv feststehenden Prozentsatz des Reingewinns, der übrigens auch nach gleichen, bestimmten Grundsätzen zu vermitteln ist. darstelle, und zweitens diese Summe nach feststehenden Grundsätzen unter die Einzelnen verteilt werde. Nach jenem Reglement aber steht nichts fest, als das Belieben des Arbeitgebers. Kein Arbeiter kann durch objektive Leistungen irgendwelcher Art Anspruch auf Gewinnbeteiligung erwerben; vielmehr ist es nach Art. 2 und 4 ganz dem subjektiven Ermessen der Chefs überlassen, den Arbeitern solchen Anspruch zu gewähren und wieder zu nehmen. Dieselbe Willkür besteht nach Art. 5 hinsichtlich des Prozentsatzes des Reingewinns, der zur Verteilung bestimmt wird, nach Art. 13 hinsichtlich der Frage, ob dem entlassenen Arbeiter die ihm gutgeschriebenen Summen ausgezahlt werden sollen, und nach dem Schlußartikel hinsichtlich der Abänderung des ganzen Reglements. Thatsächlich wurde etwa ein Zehntel der Arbeiterschaft des genannten Fabrikhauses der Beteiligung am Gewinn für wert erachtet. Es waren „die besten, ältesten und ordentlichsten Arbeiter." Um diese trefflichen Elemente vor dem Austritte aus der Fabrik zu bewahren, der ihnen angeblich keinen Nutzen, dem Unternehmer aber unzweifelhaft großen Schaden bringen mußte, wurde die angeführte schlaue