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Rarl Friedrich Bahrdt.
allen Mitteln der Reklame gelang es endlich, eine Hand voll Schüler zusammenzutrommeln, und nun tonnte mit großem Pomp und vielen schönen Reden das Bcchrdtsche Philanthropin eingeweiht werden. Aber innerlich und äußerlich wollte die Sache nicht gedeihen: die Lehrer erwiesen sich zum größte» Teile als uu- brauchbar, bei den Schülern wollte die Bcchrdtsche Erziehungsmethode nicht recht anschlagen, und vor allem wurden die finanziellen Nöte immer drückender. Da entschloß sich Bahrdt, persönlich im Anslcmde die Werbetrommel zu rühren und namentlich zu versuchen, wohlhabende jnuge Engländer sür sein Institut zu gewinnen. Mit zwei Gulden und fünfzig Kreuzern in der Tasche trat er seine abenteuerliche Fahrt nach Holland und England") nn, bettelte und pumpte sich von Station zu Station durch, beschwatzte auch hie und da jemanden, ihm seinen Sohn anzuvertrauen, um sofort eiucu Vorschuß auf die Erziehuugsgelder cinzulassiren und dann am nächsten Orte das gleiche Manöver zu wiederholen.
Daheim waren inzwischen seine Gegner nicht müßig gewesen, und als er nach beinahe Jahresfrist von seiner Reise zurückkehrte, fand er einen Beschluß des Ncichshofrats vom 27. März 1779 vor, durch wclchcu ihm „alles einigen Bczng auf die Religion habende Bücherschreiben, Lehren uud Predigen ein- für allemal bei Vermeidung schärferer Strafe nicht nur gänzlich untersagt, sondern auch fernerweit ernst gemessenst befohlen" wurde, seine „großes Aufsehen und Ärgernis erweckende" Neuesten Offenbarungen durch ein „deutliches Bekenntnis von der wahren Gottheit Christi sowohl, als von der heiligen Dreieinigkeit" zu widerrufen, widrigenfalls er „ans Lebenslang anßer den Grenzen des römischen Reiches ohnnachsichtlich verwiesen werden soll." Zugleich wurde dem Grafen zu Leiningen-Dachsburg „e» oklioio zu dessen schuldiger Nachachtung" eröffnet: „nicht nnr den Dr. Bahrdt nunmehr seines bisherigen Lehr- und Predigtamts zu entlassen, sondern auch die in seinem Gebiete bereits vorgefundene oder noch weiter vorfindlichc Exemplaricn der Bahrdtschen neuesten Offenbarungen sowohl, als der so betitelten Lehre von der Person und dein Amte unsers Erlösers in Predigten, ohnverweilt an die Kaiserliche Vücherlvmmission im Reiche einzusenden, uud wie es geschcheu in torinwo cluorum insirÄuin bei Kaiserlicher Majestät allcruuterthänigst anzuzeigen."
Bahrdt antwortete umgehend mit seiucm „Glaubensbekenntnisse"^^) (1779), dessen Druck ihm Berliner Freunde besorgten lind das im November dem Regensburger Reichstage überreicht wurde. Er erklärte, allerdings verschiedne kirchliche Lehrsätze, gegen welche die gesunde Vernunft sich empöre, nicht zu
*) Über BcihrdtS Aufenthalt in Lvndon vergl. Wendeborn, Erinnerungen aus seinem Leben (Hamburg, 1813), S, 266 ff. Diese Mitteilungen beweisen am schlagendsten die Verlogenheit von Bahrdts eigner Lebensbeschreibung, die kaum in einem Punkte als zuverlässige Quelle gelten kann.
**) Wieder abgedruckt bei Lcyser a. a. O. S. 1S1 bis 1S9 und iu der Bibliothek der deutschen Aufklärer des achtzehnten Jahrhunderts I, Leipzig, 1346, S. 26 bis 34.