Hiddensee. 619
auch alle, die tags zuvor gefallen waren. Und in den Liedern heißt es, die Hiadnigc würden so fortfahren bis zur Götterdämmerung." Offenbar hat diese Darstellung vor der des Saxo einige echte und altertümliche Züge voraus, wenngleich auch hier schon Hilde ans einer Göttin in eine Königstochter umgedeutet ist.
Noch tiefer aber in den Mythos greift jene von edelster Poesie erfüllte Gestaltung der Sage zurück, die uns in den Helgiliedern der sogenannten Sämund-Edda vorliegt. Helgi, Sigmunds Sohn, aus dem Wölsungengeschlechte, der kühne Held, welcher den Huudiug samt seinen Söhnen überwunden uud erschlagen hat, wird vou Sigruu, Högnis Tochter, geliebt, noch ehe sie ihn gesehen hat. Diesen Zug, sowie den Namen Högni, hat also das Eddalied mit der Überlieferung des Saxo gemein. Aber im Liede erscheint die Liebende als Walküre, die als solche mit der Macht ausgestattet ist, ihre Lieblinge zu schützen. Als daher Helgi in den Kampf zieht wider Högni und Granmar, dessen Sohn Hödbrod von Sigruu mit höhnenden Worten zurückgewiesen worden ist, geleitet die Walküre den Geliebten nicht uur durch die Schrecken des Seestnrms. sondern schirmt ihn auch im Kampfgetümmel. Und wenn sie nach dem Kampfe spricht: »Zu Lebenden möcht' ich mir erkiesen, die heimgegangen sind," so finden wir das Schlußmotiv der eben geschilderten Überlicferuugeu wenigstens augedeutet. Schöuer und bedeutungsvoller aber, wenn auch anders geformt, tritt dieses am Schlüsse der Dichtung hervor. Denn als Helgi, dem sich die Walküre nach Högnis und Hödbrods Tode vermählt hat, von ihrem Brnoer Dag, dem einzig Übersenden ihres Geschlechtes, menchlings erschlagen ist, ruft die Liebende durch ihre Klagen den Gatten aus seinem Grabe ans Licht; so ist ihr den Tod überwindender Schmerz das Urbild der weitverzweigten Lenorensage, die für uns Deutsche Bürger klassisch gestaltet hat. Daß auch Hedinsö in einem der Lieder genannt wird, mag Zufall seiu. Viele Helden, so lesen wir im ersten Helgiliede. kamen dem Helgi von Hedinsö zu Hilfe. Man sieht, das unwirtliche Eiland ist i„ der Phantasie des nordischen Dichters zn einem volkreichen und "uichtigen Reiche geworden; und es ist uicht notwendig, mit einem Heransgeber der Edda an ein andres Land gleichen Namens zu deuken.
Einen weiteren Nachklang aller dieser Sagen finden wir endlich im zweiten Teile der Gudrundichtung. Auch hier Fraueuraub, Kampf und Versöhnung. Denn der König Hettel läßt durch seine Getreuen Hilde, die Tochter des Königs Hagen, entführen, und als der Vater den Fliehenden nachsetzt, entspinnt sich am User ein heftiger Kampf, der aber bald, nicht ohne Zuthun der geraubten Königstochter, beendigt wird. Und hier ist die Gleichheit des Namens — Hagen lst nämlich gleich dem nordischen Högni — wohl nicht bloßer Zufall, sondern Zeichen, daß wir es mit der neuen Abwandlung eines alten Grnndthemas thun haben.
So hat sich denn in dem Worte Hiddensee, das uns jetzt erstarrt wie ein