Der Graf von Noer.
er kannte außerhalb des Kreises der Orientalisten den Prinzen Friedrich August von Schleswig-Holstein-Angnstcnbnrg, Grafen von Noer, als vor fünf Jahren die Zeitungen die Nachricht von seinem Tode brachten? Der Name trat damals wahrscheinlich zum erstenmale vor die Augen der meisten Leser. Wir wollen im Folgenden versuchen, das Bild dieses Mannes zu zeichnen, wie es uns die vor kurzem von der Witwe des Verstorbenen herausgegebenen Briefe und Tagebuchblätter vor die Seele stellen/') Bleiben auch in diesem Briefwechsel und in den sonstigen Aufzeichnungen merkliche Lücken, so wird uns doch genug mitgeteilt, um uns den Zusammenhang ungefähr versinnlichen zn können.
Der Prinz war der Sohn des Herzogs August Emil, und war in Schleswig am 16. November 1830 geboren. Die Neigung zu literarischen Studieu, zu ausgedehnterer wissenschaftlicher Ausbildung ist in der fürstlichen Familie nicht neu; war doch nnter andern sein Großvater der Gönner Schillers. Als einziger Sohn war er ein etwas verzogener Knabe, durch ungeeignete Lehrer erlitt sein Unterricht so große Einbuße, daß er später klagte, er habe an diesem Mangel sein ganzes Leben hindurch zu leiden gehabt. Der Vater, ein leidenschaftlicher Soldat, dachte garnicht daran, daß der Sohn jemals eine andre Richtung nehmeil würde, er bemühte sich, die Erziehung nach seinen Absichten zu leiten. Neigungen und Anlagen des Prinzen aber entsprachen mehr der Sinnesart der feingebildeten, gemütvollen Mutter; unter ihrer Einwirkung entwickelte sich des Knaben Gemüt und Phantasie.
Den Aufenthalt zn Noer bei Kiel, dem Landsitze der Familie, unterbrachen im März 1848 die politischen Borgänge in Schleswig-Holstein. Der Vater stellte sich an die Spitze der Beweguug, Friedrich August trat — trotz der vielfachen Beziehungen, welche die Familie zu Dänemark hatte — in die schleswigholsteinische Armee. Bereits vier Tage darauf schreibt er seiner Mutter aus dem Kriegslager, wie sehr er nach Büchern schmachte, die Bibel und eine Lebensgeschichte Alexanders des Großen seien die einzigen, die er bis jetzt aufgetrieben habe, und er bittet sie nnn, ihm — Kühners griechische Grammatik zn senden.
, Der Verlauf des schleswigscheu Krieges ist bekannt. Der Prinz erhielt zunächst keine Gelegenheit, sich an einem Gefechte zu beteiligen. „Ich gestehe
Friedrich August Prinz von Schleswig - Holstein ° Augustcuburg, Graf vvn Noer. Briefe uud Aufzeichnungen aus seinem Nachlaß. Herausgegeben von Carmen Gräfin von Noer. Nördlingen, C. H. Beck, 1836.