Literatur.
Kleine Bilder von Johannes Trojan. (Minden, Bruns,) Der Humor ist verschieden dcfinirt worden: als eine Stimmung, die durch Thränen lächelt, als eine Anschauungsweise, bei der das Erhabene komisch wird, als ein aus Mitleid und Spott gemischter Gemütszustand, der aus der Ahuung des Unendlichen über der endlichen Welt hervorgeht, u. s. w. Er ist eben ein Proteus, der sich überhaupt uicht recht fasseu und definiren läßt, und so bemühen wir uns auch uicht damit, eine Auflösung und Umschreibung seines Wesens zu finden, sondern freuen uns einfach, daß er in seinen verschiednen Gestalten zum Troste der Meuschcukinder da ist. Trojans Humor ist besonders liebenswürdig. Es ist nicht der Humor Heines und der anempfindcnden Virtuosen seiner Schule, an deren Liebe, deren Bewunderung und deren Schmerzen wir zweifeln, weil sie ihr Empfinden absichtlich selbst verhöhnen, auch uicht der viclbelesene, kraukhaft empfindsame, oft gekünstelte und barocke Humor der Gclehrtenstubc Jecm Pauls mit seinen unmöglichen Menschen und Situationen. Trojans Humor ist bei all seinem Wissen und seiner Kenntnis des Lebens ein Kind; naiv, natürlich, ehrlich, gesund in Adern und-Nerven, glaubt er, was er redet, und läßt es darum auch uns glaubeu. Voll von warmer Liebe znr Natur und zur Menschheit, mit scharfen Augen für deren Kleinleben, für die Seele der Tier- und Pflanzenwelt begabt, erzählt er uns mit Meisterschaft von seinen Beobachtungen und Empfindungen in diesem Kreise. Sinnige Betrachtung, gemütvolles Sichverseukcn iu den Gegenstand, herzliche Freude an den neuen Seiten, die ihm abgewonnen werden, die Schalkhaftigkeit endlich, die den Erzähler allenthalben begleitet und durch schelmisches Lächeln auch von ernsten Dingen zu verstehen giebt, daß sie unter cmderm, genau besehen, auch ihre komische Seite haben, vereinigen sich zn herzerquickender Wirkung. Fast iu allen diesen Bildern gewahren wir Züge des Geistes, der unsre deutschen Märchen und Volkslieder wachsen ließ. Manches von dem, was der Verfasser dem Walde abgelauscht hat, könnte von Elfcnaugeu gesehen und von Elfenhänden gemalt sein, so zart und anmutig steht es vor uns. Wir nennen nur „Vor Thau und Tag," „Vou den Ameisen," „Das Abenteuer im Walde" uud die Verordnung der Königin Titania „Aus dem Walde," die im Hinblick auf ein bekanntes neues Gesetz ihr Besitzrecht an den Beeren und Pilzen wahrt, den armen Leuten, die sie sammeln, ihren Anteil daran zuspricht, und die Uuterthcmeu des Elfenreiches anweist, sie dabei zu uuterstützeu uud ihre Verfolger durch allerlei Schabernack von ihnen fernzuhalten. Nicht weniger aber muteu uns die Bilder ans dem großstädtischen Leben und Treiben an, die mit diesen märchenartigen Erzählungen abwechseln und reich au echt sittlichem Gehalt und richtiger Empfindung gegenüber den Tagesmeinungen und Modethorheiten, reich au Menschenkenntnis uud au Aeußerungen eiues Herzens voll Menschenliebe sind. Sehr hübsch ist hier der Bericht von den „Leiden eines Unpolitischen," „Der Svnnenbrnder," dann der Abschnitt „Verschiedne Uebergänge," ferner „Die Geschichte des alten Junggesellen im Wohlthätigkcitsbazar," endlich „Doktor Faust im Berliner Vogtlande." Als ganz reizend müssen schließlich die Kapitel „Von alteu Gärtnern," „Die letzten im Bade" und die kleinen Reisebeschreibungen „Winter im Harze" nnd „Hiddensöe" gerühmt werden. Wolle man das Büchlein sich selbst auseheu, man wird uns für die Empfehlung dankbar sein.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.