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Toynbee-Hall.
Wie mit seinesgleichen, und sucht sie im Umgang mit Gentlemen selbst zu Gentlemen zu machen. Wenn mau auf diesem Wege aber auch manche gute Erfolge erzielt hat, sv ist mau sich in Toynbee-Hall, wie mir einer der Residenten versicherte, doch bewußt, daß private Austrcngungen der Aufgabe uicht gewachsen sind. Man wünscht daher Gründung von Lehrersemincnicn, die jedoch in irgend welchem Zusammenhange mit den Universitäten stehen, vielleicht sogar in der Form von neuen lüollvg'Ls in den Universitätsstädten selbst errichtet werden sollen. Zweifelhaft mag es sein, wie weit eine Verwirklichung dieser Vorschläge möglich sein würde. Jedenfalls ist cS ein richtiger Gedanke, daß so, wie die Lehrer sind, die Schule sein wird. Wenn wir über eine Schulreform verhandeln, sei es in England oder Deutschland, so sollten wir nie vergessen, daß eine wirkliche Hebung der Schule uicht ohne Hebung der sozialen Stufe der Lehrer möglich ist.
6.
Mag der Hauptschwerpunkt auch auf der innerhalb der wohnlichen Räume von Tohnbce-Hall geleisteten Arbeit ruhen, so sind die Residenten doch nicht damit allein zufrieden, ihre Nachbarn bei sich zu empfangen; sie suchen dieselben auch bei ihrer Arbeit oder während ihrer Mußestunden ans. Jene erste Art der Thätigkeit, welche mit dem Extension-Movcmcnt aufs engste zusammenhängt, ist Toynbee-Hall eigentümlich. Wenn dagegen die Residenten von Toynbee-Hall in die Wohnungen der Armen gehen, die Wohnstätten der Arbeiter besuchen, an ihren Vereinigungen und Klubs teilnehmen, so thun sie hiermit nur, was zahlreiche andre Vereine und uoch mehr einzelne Herren heutzutage iu London zu thnn gewohnt sind.
Vor allem ist es eine Klasse von Bewohnern der Weltstadt, welche das Mitleiden aller Menschenfreunde ans sich lenkt. Nach vielen Tausenden zählen jene Knaben, oft noch in zartem Kindesalter stehend, welche als Stiefelputzer, Zeituugs- und Streichholzverkäufer auf und von der Straße leben. Während in den obern Klassen sich der Sohn oft erst im Mannesalter von der elterlichen Familie ablöst, muß hier bereits das Kiud hinaus ins feindliche Leben. Glücklich, wenn es noch ein Elternhaus weiß, wohin es des Abends zurückkehren kann! Vielen jener Kinder ist auch das nicht vergönnt. Familienlos, oft ohne zu wissen, wer ihre Eltern gewesen sind, finden sie sich mit erwachendem Bewußtsein in den Kampf ums Dasein hiuciugesetzt, den sonst die Natur durch die Elternliebe noch dem Kinde verschleiert. Selbst das ist ihnen oft versagt, was sonst die Geburt jedem zu schenken Pflegt: der Name. Doch wunderbar, der zarte Funke des Kindeslebcus, der unter den Händen seiner Mutter leicht erlischt, scheint gerade dort oft Trotz zu biete», wo die Organisation der Gesellschaft ans seinen Untergang gerichtet zu sein scheint. Im Gewühl von Fußgängern und Wagen, wo der Erwachsene selbst alle Aufmerksamkeit aufbieten muß, schlagt der Knabe