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Nach den Wahlen.
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Nach den Wahlen.

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die als offiziösen Charakters mehr Beachtung beanspruchen durften. Man hat seitdem in Abrede gestellt, daß ihnen dieser Charakter zuzusprechen sei. Wir haben indes Grund, an dem Dementi, das sie als bloße Privatäußerungen be­zeichnete, zu zweifeln, und so geben wir ihnen hier eine Stelle als wiederholte Mahnungen zur Vorsicht auch nach uusern östlichen Gesichtskreisen hin eine Mahnung, die man im Gedächtnis behalten wolle.

Die in Rede stehenden Symptome der Wendung in den amtlichen Kreisen Petersburgs bestanden in Äußerungen des in diesen Kreisen gut angeschriebenen Korrespondenten derPolitischen Korrespondenz" und in einem Artikel des Brüsseler I^orä, der von dort inspirirt wird. In diesem merkwürdigen Briefe aus der russischen Hauptstadt tritt Rußland fast wörtlich so auf, wie wir es voraus­sagten, d. h. als Wächter des europäischen Friedens und Vorkämpfer des Gleich­gewichts der Kräfte, nicht Frankreich, sondern Deutschlaud gegenüber. Es stellt serner die bulgarische Frage für den Augenblick in den Hintergrund und richtet seine Blicke fest auf die Lande am Rheine. Wenige denkende Russen, meint der Verfasser, befürworten ein Bündnis mit Frankreich, weil ein solches einen euro­päischen Krieg entzünden würde, den die russische Nation nicht wünscht. Ander­seits machen gewisse unübersteigbare Antipathien ein festes Einvernehmen zwischen Nußland und Deutschland beinahe zur Unmöglichkeit, und die unangenehme Erinnerung an den Berliner Vertrag verhindert, eine starke Annäherung beider an einander. Dieselbe würde auch den Zar nötigen, Österreich ver- schiedne Zugeständnisse zu machen. Ebenso würde Nußland, wenn es eiue feind­selige Stellung zum deutschen Reiche einnehmen wollte, Osterreich Rüstungen gegen sich vornehmen sehen. Nun wünscht es aber aufrichtig deu Friede» und die Erhaltung des Gleichgewichts der Mächte, uud folglich mnß es sich so Ver­halten, daß es jeden Anlaß zu Streit vermeidet. Will es für den Fall eines Krieges zwischen Deutschland uud Frankreich imstande sein, eiue hervorragende Rolle zu spielen, so ist es unbedingt notwendig, daß es eine unbekannte Größe bleibt, d. h. daß es keinen andern Staat ermutigt oder bedroht. Es ist nicht Willens, seine Sicherheit nnd seine Interessen durch irgendwelches Bündnis Ge­fahren auszusetzen. Dann aber würde es, wenn es sich erst am Ende des Kampfes zwischen dem Sieger nnd dem Besiegten einmischen wollte, zu spät auf dem Felde erscheinen. Zeigte sich Frankreich zuletzt als die unterlegene Macht, so würde Rußland sich einer verhängnisvollen Zukunft aussetzen. Es würde gestattet haben, daß Frankreich durch Deutschland vernichtet worden wäre, dessen Allmacht es sich fortan gleichfalls zn unterwerfen gezwungen sein würde, des­halb ist der einzige Weg, den Rußland bcschreiten kann, der, daß es eine Stellung einnimmt, bei welcher ein deutsch-französischer Krieg, wenn er ausbricht, keine derartige Gestalt annimmt, daß Frankreich völlig zu Grunde gerichtet wird. Rußland muß, wenn die Entscheidungsstunde eintritt, seine Hände gänzlich frei haben. Es darf durch keinerlei Verbindung oder Verpflichtung mit Deutschland