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Zu dem jüngsten Entwurf eines Prozeßkostengesetzes.
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Wollte man natürlich das Gerüst wieder abbrechen. Und deshalb erscholl laut der Notruf:Die Gerichtskosteu sind zu hoch!" Im Reichstage liehen nament­lich die Rechtsanwälte Paycr und Wolffson diesem Nnfe ihre Stimmen. Letzterer, der frühere Vorsitzende der Kommission für die Nnwaltsgebührenordnnng und eifrigste Vertreter dieser Ordnung, erklärte nun, daß die Höhe der Gcrichts- kosten zn wahrhaft unerträglichen Zuständen führe, welche an Nechtsverweigernng streifen. Auch nachdem durch das Gesetz vom 29. Juni 1881 die Gerichtskosteu einigermaßen gemindert waren, hörte doch jener Notruf nicht auf, bis endlich einige bescheidne Stimmen darauf aufmerksam machten, daß nicht bloß die Höhe der Gerichtskostcn, sondern weit mehr noch die Höhe der Anwaltskosten es sei, was die Prozeßführuug übermäßig verteuere, und daß eine Minderung der Gerichtskosten den Notstand der Prozeßsührendeu kanm ändern werde, wenn nicht zugleich die Anwaltskosten (welche sich zn den Gerichtskosten ungefähr wie 8 zu 3 verhalten) gemindert würden. Jufolgedesfen wurde dann in die ansErmäßigung der Gerichtskostcn" gerichtete Reichstagsresolntion auch der Antrag aufRevision der Anwaltsgebührenordnung" aufgenommen. Seitdem ist der Notruf über die Höhe der Gerichtskosten weit weniger erklungen, die Not der Prozeßsührendeu aber ist dieselbe geblieben.

Gegenwärtig liegt nun die Sache so. Auf das Begehren nach Herabsetzung der Gerichtskosten antworten die Regierungen: Wir können die jetzigen Kosten nicht missen. Auf das Begehren nach Herabsetzung der Anwaltskosten antworten die Anwälte: Wir können die jetzigen Kosten auch nicht missen. So ist das deutsche Volk, welches die jetzigen, die Nechtsverfolguug schwer belastenden Kosten fort nnd fort bezahlen soll, gewissermaßen in eine Zwickmühle geraten zwischen die beiden beim Bezüge der Kosten beteiligten. Da darf man wohl mit Recht fragen: Was hat sich denn nun seit 1879 so geändert, daß diese hohen Kosten zur Notwendigkeit geworden sind?

Was zunächst die Gerichtskosten betrifft, so können wir die Erhöhung der­selben in Vergleich mit den früheren (preußischen) doch nicht für ganz gering­fügig halten. Stellt man die Hauptgcbührcn eines vollständigen Prozesses nach den achtzehn Wertklassen des Reichsgcsetzcs zusammen, diesen die ent­sprechenden Gebühren nach dem preußischen Gesetz gegenüber und addirt dann beide Zahlenreihen, so erhält man in den Summen ein ungefähres Bild von der Höhe der beiderseitigen Kostensätze. Eine solche Addition giebt für die Neichskvsten die Zahl 6182,70, für die früheren preußischen Kosten die Zahl 4636,30. Ein Unterschied von mehr als 33,3 Prozent. Dabei ist der Unter­schied in den geringsten Klassen am größten, indem sich hier die Zahlen 6,90:2,40, 16,20:8,40, 31,20 : 18 ' gegenüberstehen. In der achtzehnten Klasse stehen sich die Zahlen 877,50 und 594,50 gegenüber. Das Miß­verhältnis beider Gebührenreihen steigt aber noch dadurch, daß bei deu Reichs­gebühren die Kosten für Znstellnngen, Abschriften nnd Portoanslagen hinzu-