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Bewegungen in der katholischen Welt.
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Bewegungen in der katholischen Welt.

daß aber! dann Leo XIII. nicht bloß von Herr» von Schlözer iufvrmirt sein dürfe. Der wclsische Zentrumsführer setzt sich also absichtlich darüber hinweg, daß der Papst bereits zweimal in der Scpteunatsfrage seine Entscheidung ab­gegeben hat; er mißachtet es, daß diese Entscheidung von dein Papste als eine mit kirchlichen und moralischen Verhältnissen in Verbindung stehende Angelegenheit bezeichnet worden ist; er wagt es trotzdem, dem Papste Parteilichkeit für die preußische Regierung oder mangelhafte Information vorzuwerfen in der That Vonseiten eines Führers von Katholiken gegenüber dem Oberhaupte der Kirche ein starkes Stück.

Die Ereignisse der letzten Wochen habeil für die revolutionäre Bewegung innerhalb des deutschen Katholizismus ein überreiches Material gebracht. Es kaun nicht unsre Aufgabe seiu, dasselbe hier iu erschöpfender Weise vorzu­führen, schon die gegebenen Andeutungen werdeil genügen. Der Satz, daß der Zweck die Mittel heilige, der sich schon so oft zum Unheil derjenigen ge­wendet hat, die ihn praktisch verwirklicht haben, erhält durch die ganze Be­wegung eine besondre Beleuchtung. Iu uunatürlicher Weise hat man die ver­schiedensteil Elemente im Zentruni zu einer einzigen Partei zusammengebracht. Während es sich sehr Wohl verstehen läßt, daß zur Vertretung bestimmter kirch­licher Interessen Mäuuer von jedem politischen Bekenntnisse zusammentreten, wie sich dereinst auch für die wirtschaftlichen Interessen in einem Reichstage die Vereinigung der 204 zusammcugcfunden hatte, ist es unbegreiflich, wie es der Leitung eines auf die Treuuung der Neichseinheit abzielenden Mannes hat gelingen können, diese verschiedenartigen Bestandteile auch als politische Partei zu gestalten und auf die einzelnen Mitglieder einen Partcizwang selbst in solchen Fragen auszuüben, welche nicht kirchlicher Natur siud. So lange in Preuße» der Kulturkampf bestand, nahmen die kirchlichen Fragen nicht nur das Haupt­interesse in der Partei in Anspruch, sondern ergriffen mich die einzelnen Persönlich­keiten mit dem Eifer und der Leidenschaft, mit welchen Fragen religiösen Inhalts insbesondre katholische Gemüter zn erfassen pflegen. Alles wurde nur von dem Gesichtspunkte der kirchlichen Streitigkeiten aus behandelt; die Heftigkeit des Kampfes verbitterte die Gegner, sodaß mnn eigentlich nicht mehr unterscheiden konnte, was weltliche oder kirchliche Interessen waren. Daher kam es, daß in dem Kampfe um die höchsten Interessen im Zentrum, ebensosehr alle Partei- schattirungeu zurücktraten, wie in dem Kampfe der Nationen innerhalb jeder einzelnen gegenüber dem Feinde der innere Hader vergessen wird. So saß der konservative schlesische und westfälische Adliche nebcu dem demokratischen Kaplan des Nheinlaudes, der konservative altbaierische Landpfarrer und Landwirt neben dem fortschrittlichen und demokratischen Literatcn und Rcchtsanwalt. Diese an­scheinende Verschmelzung wurde von den ehrgeizigen Führern geschickt benutzt und die gesamte Partei iu eine Opposition gebracht, welche mit den kirchlichen Interessen nicht das geringste mehr zn thun hat. Diese Verhältnisse beganueu