Beitrag 
Die heilige Magdalena von Witscht :
(Schluß.)
Seite
137
Einzelbild herunterladen
 

Die heilige Magdalena von Witscht.

137

Josef, sondern heißt wieder, wie aus Ironie des Schicksals, Josef Hanim, Seine Vergangenheit muß ihm wie ein geträumtes Märchen vorkommen. Nichts ist ihm davon übrig geblieben. Selbst der Rosenkranz, mit dem er einst als ein­zigem Handwerkszeuge hantirte, ist beiseite gelegt, seitdem Josef den Hammer wieder aufgenommen hat, und sogar die frommen Falten, die doch stereotyp geworden schienen, hat sich der Exheilige mit bestem Erfolg wieder aus dem Gesicht gestrichen. Er hat mit der Heiligkeit vollständig aufgeräumt, vermutlich weil er es sür ein Sakrilegium hielt, seine Heiligkeit in der Schmiede rußig zu macheu. Er geht sogar an Sonntagen wieder in die öffentlichen Weinstuben zu seinen Mitbürgern, die in der Zeit seiner Heiligkeit garnicht mehr für ihn da gewesen waren; nun behandelt er sie wieder wie seinesgleichen und ist sicht­lich froh, wenn die Gutmütigen thun, als sei das immer so gewesen. Auch den Witschter Dialekt, den er infolge seiner vielen Reisen mannichfach mit Hoch­deutsch durchsetzt hatte, spricht er wieder ziemlich rein. Dabei sieht er nicht un­glücklich aus, er ist eiue praktische Natur und weiß sich in alles zu schicken. Vielleicht hält er aber seine Rolle noch nicht für ausgespielt.

Eine dritte hervorragende Persönlichkeit im Kreise dieser Heiligkeiten war derAntiquar," der Schriftgelehrte der Gesellschaft, der die literarische Potenz vertrat und die Sendschreiben an die Gläubigen verfassen mußte. Er schrieb auch zwei weitere Bände zu OschwaldsMystischen Schriften" und zeigte in seiner antiquarischen Bude den Madlenianern die heiligen Urschriften der vier Evangelien uud andre Reliquien ähnlicher Natur. Er besaß das höchste An­sehen in der Sekte, uud manche achteten seine Heiligkeit sogar höher als die der Madlene. Seine Residenz hatte er in einer großen Stadt Baierns.

Unter den sonstigen mit der heiligen Madlene zusammenhängenden Er­scheinungen erregten vor allem zwei Kinder großes Aufsehen. Diese waren auf einmal da, und niemand, wenn nicht etwa die Madlenianer, erfuhr mit Gewißheit, woher sie kamen, wohin sie gehörten. Dieser Umstand war aufregend. Dazu kam noch, daß man sie kaum sah, höchstens einmal im Garten durch den Weiß- dvrnhag hindurch, auf die Gasse kamen sie nicht. Gewöhnlich blieben sie unr einige Tage, in geschlossenem Wagen kamen sie an, womöglich bei Nacht, und ebenso fuhren sie wieder ab. Die Sache konnte sich kaum geheimnisvoller ausnehmen.

Es waren zwei Knaben, wie Prinzen gekleidet und schön, mit wahrhaften Engelskvpfchen, der eine schwarz, der andre blondlockig. In Witscht war nie etwas so schönes gesehen worden, ein weiterer Umstand, der die Phantasie reizte. Als die beiden zum erstenmale auftauchten, war der eine ungefähr fünf, der andre sechs Jahre alt. Gerüchte gingen genug über die schönen kleinen Lvckcuköpfe. Bald sollten sie die Söhne des Antiquars, bald Kinder der jung- Grenzbvwi I. 1837. 18