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Die heilige Magdalena von Witscht :
(Fortsetzung.)
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Die heilige Magdalena von Witscht.

Klötzen, wie sie ihm gerade zur Hand waren, schnitt er mit seinem einfachen Taschenmesser Madonnen mit dem Jesuskind, und echt genial verschwenderisch mit den Schöpfungen seines Geistes nnd seiner Hand, beschenkte er ganz Witscht mit diesen Kunstwerken, Viele derselben sind nvch hie und da sichtbar und werde» von den Kindern als Puppen benutzt.

Aber der stärkste Genins Sebastians ist damit immer noch nicht bezeichnet. Auch ein Palästriua oder Bach rumorte in ihm. Wenn der Simulorem, der lang und hager war, schleppenden Ganges, die Beine lässig nachschleifend, mit einem gerade fertig gewordnen Kunstwerk durchs Dorf schlenderte, um sich einen auszusuchen, den er durch die Beschcnkung mit seinem Werke glücklich machen könnte, ereignete sich hundertmal folgender seltsame Auftritt. Der Bastiau blieb plötzlich stehen und wiukte jemand, und wenn dieser nicht zu ihm kommen wollte, so begab sich der Prophet zum Berge. Horch! sagte er und tippte mit dem Knöchel seines Zeigefingers an seine Statue. Was hörst du? Gelt, nichts! Das ist stumm und tot, das hat keinen Klang. Und traurig ging er seines Weges, seine Beine nvch schlaffer nach sich ziehend als zuvor. Daß seine Bilder so stumm und tot waren, machte ihn tief unglücklich. Auch half es ihm nichts, daß er ein Erzgießer ward, seine Statuen aus Thonerde formte und in Blei nmgoß. Das war noch stummer und toter als Holz. Doch machte ihn eine Entdeckung eine kurze Zeit glücklich. Er formte große Thonbilder, höhlte sie sorgfältig aus und brannte sie im Backofen. Er brauchte lauge, bis ihm diese Kuust so gelang, daß seine Bildungen keine Sprünge mehr bekamen. Da tippte der Simulorem wieder mit seinem Knöchel daran, und siehe, das klang! Der gute Bastiau hatte nun eine kindliche Freude, aber es ging ihm wie allen seinen Kollegen. Wie jeder, der etwas schafft, war er im Augenblicke entzückt. Doch mit der Zeit fand er die eigne Leistung schwach und ungenügend. Einige Wochen lang ging der Bastion mit dem tönenden Bilde freudestrahlenden Blicks von Haus zu Haus, und jedermann mußte seine Statue nicht sowohl sehen als hören. Da, eines Tages, während er in Wonne schwamm, himmelhoch jauchzend, brachte so ein cynischcr Lästerer und Gottesverächter einen alten Topf herbei, dessen nähere Bezeichnung man dein Berichterstatter erlassen möge, hielt ihn dem Bastian ans Ohr und tippte auch mit dem Zeigefinger daran. Hörst du, Simulorem, sagte er höhnisch, das tönt so gut wie deine Mutter Gottes, noch besser, du hättest dir nicht so viele Mühe zu geben brauchen. Da fuhr dem Baftian ein jäher Schreck in die Glieder, daß die tönende thönerne Mutter­gottes seinen Händen entfiel und in tausend Scherben zerbarst.

Wenn ihn nun jemand fragte: Wie geht's, Bastian, warum so finster? so nahm sein Gesicht einen nvch trübseligern Ausdruck an. Das ist ein stumpfer Klang, antwortete er traumhaft, und die Seele zittert nicht, wenn sie ihn hört.

Dann verfiel der Simnlorem wieder auf etwas andres. Was er nicht selber vermochte, nämlich tönende Gebilde zu schaffen, hatten andre gethan,