Die englische Ministerkrisis.
Was wird nun geschehen? so durfte man sich in der ersten Stunde fragen, und die Antwort der Presse lautete verschieden. Die einen rieten, das Kabinet Salisbury solle mit gebrochener Schraube seine Fahrt fortsetzen. Andre gingen soweit, zu behaupten, der Rücktritt Lord Rcmdolphs sei, genau besehen, kein Verlust, sondern ein Gewinn für das Kabinet, denn er sei doch eigentlich leine Stärkung, sondern eine Schwächung desselben gewesen, da sein exzentrisches Wesen und seine demokratischen Bestrebungen die Partei beunruhigt und das Land mehr in Erstaunen versetzt als erfreut und gewonnen hätten. Befreit von seinen hochfliegcndcn Ideen und seiner verletzenden Art, sich zu äußern, werde die Scilisburysche Verwaltung eine konservativere sein können als bisher. Das hatte manches für sich. Der abgegangene Schatzkanzler hat eine Jrländerin zur Mutter und infolge dessen etwas von dem Temperament des Iren, er ist nervös, vorlaut und formlos, und er ist damit oft recht nnbequcm geworden, ja es ging ein Zug von Lächerlichkeit durch sein Auftreten, der ihm bei nicht wenigen Leuten schadete, indem man ihn nicht recht ernst nehmen zu dürfen glaubte. Während er die Vorschläge Gladstones iu Betreff Irlands zwar heftig bekämpfte und die irischen Protestanten geradezu aufforderte, ihrer Ausführung mit den Waffen Widerstand zu leisten, erklärte er sich als Minister gegen die Absicht seiner Amtsgeuossen, die irische Aktivnspartei mit Gewaltmitteln zu bekämpfen. Gladstoue schleuderte er im Parlament die gröbsten Worte zu. Nicht sparsam war er mit solchen gegen Rußland, als die afghanische Frage auf der Tagesordnung stand. Als am 8. Juui 1885 Gladstoue im Untcrhciuse in der Minderheit blieb, sprang der kleine Lord mit dem großen Schnurrbarte auf eine Bank und schwenkte seinen Hut. Kurz, es fehlt ihm au Konsequenz und Selbstbeherrschung, und das entfremdete ihm manchen Frennd. Indes hatte es sich mit diesen Mängeln seiner Stnrm- und Drangperivde in der letzten Zeit gebessert, und wenn seine Lebhaftigkeit auch jetzt nicht immer die Regeln der Höflichkeit und des guten Geschmackes innehielt, so gefiel sie doch dem Hause und dem Lande als etwas Ungewöhnliches, Neues und Frisches. Dazu kam, daß er auch als Parteimann nichts Gewöhnliches, kein Konservativer der alten Schule, sondern einer von den modernen Konservativen war, welche rasche Abstellung eingestandener Mißstände für die beste Art des Konservatismus halten. Was dann die Idee betrifft, sein Abgang werde die liberalen Unionisten in den Stand setzen, in die Negierung einzutreten, so scheint uns das sehr zweifelhaft zu sein, obwohl Salisbury den Lord Hartington, der in Rom verweilte, aufgefordert hat, zu Verhandlungen nach London zurückzukehren, und dieser der Aufforderung nachgekommen ist. Churchill trat aus dem Kabinette, weil ihm dessen Führer zu sehr Tory war. Kann dieser jetzt erwarten, daß Hartington ohne Verzug die Lücke mit seiner Person ausfüllen werde? Wenn die Unionisten mit Einschluß Chamberlains sich schon außer stände sahen, sich mit den Konservativen bei der Bildung des Ministeriums zu vereinigen — wie werden sie